Bis wir uns wiedersehen (German Edition)
hintreten und sagen "Hey, wir haben uns vor fünfzehn Jahren schon einmal getroffen, aber damals warst du mir zu fett und zu hässlich. Jetzt, wo du sechzig Pfund abgenommen hast und hübsch bist, obendrein einen guten Job hast, würde ich dich gern näher kennen lernen? Außerdem ist sie doch trotz allem nicht dein Typ. Sie ist doch schon über dreißig, nicht?"
Charlie sah Bob entgeistert an. Er hatte genau das ausgesprochen, was auch in seinem Kopf die ganze Zeit über herumgeschwirrt war, was er sich selbst aber nicht hatte eingestehen wollen.
"Meinst du", fragte er zaghaft.
"Ja, meine ich", sagte Bob bestimmt und schob sich den Rest seines Brötchens in den Mund. Kauend fuhr er fort: "Ich meine aber auch, dass da draußen eine Menge anderer Frauen auf einen gut aussehenden Staatsanwalt warten!"
Die vergangenen Wochen waren turbulent gewesen. Den größten Einschnitt stellte wohl die Trennung von Jay darCharles William Andrew Harrisoniehn, die sie vor mittlerweile fast zwei Monaten durchgezogen hatte. Sie hatte kaum zu vermuten gewagt, dass die Situation zwischen den beiden noch dramatischer hätte werden können, doch Jay mutierte von Tag zu Tag mehr zu einem Arschloch. Wenn er vor einigen Monaten noch nicht für die Beziehung gekämpft hatte, so war er jetzt GEGEN die Beziehung in eine Schlacht gezogen. Scarlett fragte sich oft, ob er die Trennung nicht schon längst gewünscht hätte, nur eben nicht den Mut besaß, sie auszusprechen. Warum sonst hätte er E-Mails mit Fotos von nackten Frauen geöffnet lassen sollen, während Scarlett im Appartement war. Warum sonst hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, sich mit - wem auch immer - Abends endlose SMS-Marathons zu liefern, bei jeder neuen SMS verliebt zu seufzen und wohl darauf zu warten, dass Scarlett nachfragte, mit wem er die ganze Zeit über schrieb. Es war, als würde er sie soweit provozieren wollen, bis sie ihm auch diesen letzten Schritt in ihrer Beziehung abnahm.
Am Tage der endgültigen Trennung (für Scarlett war die Beziehung schon vor Monaten, wenn nicht vor Jahren in die Brüche gegangen) hatte sie Jay dabei erwischt, wie er am Central Park zu einer Frau ins Auto gestiegen war und sie überschwänglich küsste. Und obwohl ihr Herz in diesem Moment zu brechen schien, blieb sie überraschend ruhig. Sie wusste nicht, ob Jay auch dieses "Zusammentreffen" geplant hatte. Immerhin wusste er, dass sie jeden Tag zur selben Zeit ins Krankenhaus fuhr und dass ihr Weg unweigerlich am Central Park vorbei ging, da sie dort immer einen kleinen Zwischenstopp bei Choco McKenzies einlegte um sich Hot Chocolate 2 go mitzunehmen. Es war gut möglich, dass er diese Frau - wer immer sie auch sein mochte - absichtlich zu diesem Zeitpunkt vor das Choco McKenzies bestellt hatte um ihr so vielleicht den Rest zu geben. Andererseits konnte es auch gut sein, dass er sich gar nicht wirklich darüber Gedanken gemacht hatte und es einfach nur Zufall war. Scarlett war ihm schon eine ganze Weile lang egal gewesen. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt wahr nahm, wann sie das Appartement verlies und wann sie zurück nach Hause kam. Gut möglich also, dass er sich mit dieser Frau einfach nur verabredet hatte und der Zufall es wollte, dass Scarlett hinzu kam.
Sie rief im Krankenhaus an und nahm sich den Tag frei. Dann ging sie zurück ins Appartement und begann, Jays Sachen in die Umzugskartons zu packen, die sie vor fünf Jahren bei ihrem Umzug von einer kleinen Wohnung in Brooklyn hierher gekauft hatten. Sie hatte nicht viel einzupacken, da Jays Hab und Gut hauptsächlich aus Klamotten bestand. Als sie seinerzeit in das Appartement gezogen waren, hatte Scarlett darauf bestanden, alle Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände allein zu kaufen - für den -damals unwahrscheinlichen - Fall einer Trennung. So konnte Jay einfach ausziehen, ohne dass lang und breit darüber gestritten werden musste, wer nun welches Handtuch, welches Weinglas und den Esszimmertisch bekam.
Es dauerte beinahe den ganzen Vormittag, Jays Kram auszusortieren und ihn zu verpacken. Selbst seine dreckigen Klamotten aus dem Wäschekorb hatte sie noch gewaschen, um alles auf einmal einpacken zu können. Als Scarlett die Kartons - es waren fünf an der Zahl und sie fand es irgendwie traurig, dass seine Spuren in ihrem Leben in nur fünf mittelgroße Umzugskartons passten - in die kleine Vorhalle ihres Appartements geschafft hatte, setzte sie sich auf
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