Bis wir uns wiedersehen (German Edition)
stimmte die Band wenige Minuten später einen anderen Song an. Um eine unangenehme Situation zu vermeiden, blickte Charlie Scarlett an.
"Danke für den Tanz", sagte er.
"Gern geschehen - und falls sie später noch ein Tänzchen wagen wollen - meine Tanzkarte ist heute noch ganz leer!" Sie lächelte ihn an.
Scarlett war überrascht darüber, wie neckisch sie mit Charlie umgehen konnte. Normalerweise war sie immer etwas zurückhaltend, und, wenn es um attraktive Männer ging, die sie interessierten, ruhig und still wie eine Klosterschülerin. Mit Charlie schien sie so etwas wie eine besondere Verbindung zu haben, auch wenn sie kaum etwas von ihm wusste. Ihr fiel die Kosmetik-Schul-Freundin wieder ein, und sie sagte sich, dass sie unbedingt herausfinden musste, was es mit ihr auf sich hatte, bzw., ob sie überhaupt noch eine Rolle in Charlies Leben spielte. Würde man so so einer Veranstaltung nicht mit seinem Partner kommen, anstatt ganz alleine? Sie selbst war zu allen öffentlichen Empfängen und Parties immer mit Jay gegangen, selbst, als ihre Beziehung bereits kriselte. Allerdings hatte sie zu diesem Zeitpunkt auch noch kein Interesse an jemand anderem gehabt, sodass es für Charlie durchaus Sinn machte, seine Freundin zu Hause zu lassen, wenn er tatsächlich an sie - Scarlett - herankommen wollte. Sie musste in Verlauf des Abends unbedingt noch herausfinden, was mit Charlies Freundin los war. Sollte sie tatsächlich noch an seiner Seite sein, dann musste sie ihn sich so schnell wie möglich aus dem Kopf schlagen. War er hingegen Single, was durchaus möglich war, immerhin waren seit ihrer ersten Begegnung im Zazzy's acht Monate vergangen, konnte sie "schwerere Geschütze" auffahren.
"Wollen wir eine Runde drehen", fragte Charlie und riss sie aus ihren Gedanken. "Ich habe gesehen, dass es im Foyer eine Ausstellung von Fotos gibt, die jemand vom heutigen Lauf geschossen hat. Vielleicht finden wir ja Bilder, wie ich wie ein achtzigjähriger auf dem Rasen zusammenb wurde ihm schwarz vor Augenor sreche!" Er grinste.
"Klingt gut", sagte Scarlett, "ich bin ohnehin auf der Suche nach ein paar neuen Bildern für mein Appartement. Sie, auf dem Rasen zusammenbrechend, wären doch ein perfektes Motiv!" Sie erwiderte sein Lächeln.
Charlie nahm sie bei der Hand und genoss die Berührung. Im Grunde genommen hatte er darauf fünfzehn Jahre gewartet. In den vergangenen Wochen hatte sich an mehr und mehr Details erinnert, die in den Neunzigern, als er Scarlett zum ersten Mal kennen gelernt hatte, passiert waren. Er erinnerte sich an die morgendlichen Telefonate, und dass er oft schon zwei Stunden früher wach geworden war und wie verrückt die Uhr auf dem Handy angestarrt hatte, bis es endlich soweit war, und er sie anrufen konnte. Er erinnerte sich, dass sie oftmals gemeinsam Filme angesehen hatten, während sie telefoniert hatten, dabei stundenlang nichts gesagt hatten sondern einfach nur fern sahen, und dass ihm das ein unglaubliches Gefühl von Zuneigung zu Scarlett vermittelte. Er erinnerte sich an die Pläne, die sie geschmiedet hatten, dass sie gemeinsam in Boston leben würden, bis Scarlett fertig studiert hatte und dann nach New York ziehen wollten, dass sie heiraten wollten. Er erinnerte sich daran, dass er all das nicht nur als "Gerede, um ein Mädchen herumzubekommen" abgetan hatte, sondern, dass es für ihn wirklich real war. Zu jener Zeit, als er diesen innigen Kontakt mit Scarlett am Telefon und per Mail hatte, war für ihn klar, dass er den Rest seines Lebens mit ihr verbringen würde. Er hatte aus ihr eine Art Götzin gemacht. Das perfekte Bild einer Frau hatte sich in seinem Kopf manifestiert, gefüttert mit den Infos, die sie ihm von sich gab. Langes, blondes Haar, blaue Augen, heller Teint. Sie hatte ihm erzählt, dass sie sportlich war (was zu dieser Zeit vermutlich gelogen war) und so war er davon ausgegangen, dass sie schlank sein musste. In dem Moment, als er sie dann im Bayside Cafe gesehen hatte, fühlte es sich so an, als wäre die perfekte, hübsche kleine Scarlett vor seinen Augen von einem Auto überfahren worden, das die hässliche, dicke, picklige Scarlett fuhr. Die dann aus dem Wagen stieg und ihm sagte, er solle die hübsche Scarlett vergessen und sich stattdessen mit ihr, der hässlichen Version - vergnügen. Er schüttelte kurz den Kopf, als er auf die Frau neben sich blickte. Es war Irrsinn, sie mit dem Mädchen von damals zu vergleichen, mit dem sie rein gar nichts mehr
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