Bis wir uns wiedersehen (German Edition)
sagte Scarlett. "Haben sie Zeit?"
"Madame Wynia ist im Augenblick frei", sagte Madame Wynia und bedeutete ihnen, auf den beiden Stühlen vor dem Tischchen Platz zu nehmen. Scarlett setzte sich auf den linken Stuhl und Charlie nahm auf dem rechten Platz. Er fühlte sich unbehaglich. Eigentlich hatte er bislang nicht viel von Hellsehern, Wahrsagern und Kartenlegern gehalten. Für ihn war einer wie der andere ein Scharlatan und oft hatte er sich darüber amüsiert, wenn jemand von einem Termin bei seiner Kartenlegerin erzählt hatte, und dass er ab nun sein Leben in eine völlig andere Richtung zu lenken hatte. Er fragte sich, ob Scarlett auch ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend hatte. Madame Wynia wirkte seltsam auf ihn. Seltsam...wissend. Aber mussten diese Hellseher nicht alle eine gewisse Ausstrahlung haben, damit sie ihren "Job" überhaupt tun konnten? Er versuchte sich zu entspan wurde ihm schwarz vor Augenor snen und nahm Scarletts rechte Hand, was ihn etwas beruhigte.
Scarletts Herz machte einen Sprung, als Charlie im Zelt von Madame Wynia ihre Hand nahm. Dies war etwas völlig anderes, als vorhin, als er sie genommen hatte, weil er sie aus dem Saal führen wollte. Das hier...war Händchenhalten zwischen zwei...Liebenden. Okay, die "Liebenden" waren vielleicht etwas übertrieben. Aber es war definitiv mehr, als jemandes Hand zu nehmen, weil man ihn in der Menschenmenge nicht verlieren wollte.
Madame Wynia saß auf ihrem Stuhl, hatte den Blick gesenkt und sagte eine Weile nichts. Scarlett hatte bemerkt, dass Charlie sich offenbar ihn ihrer Nähe nicht wohl fühlte. Sie selbst fand es witzig, sich aus der Hand lesen oder sich die Karten legen zu lassen. Nach zwei Minuten hatte Madame Wynia immer noch nicht reagiert. Charlie sah Scarlett fragend an.
Im selben Moment atmete Madame Wynia einmal tief durch, hob dann ihren Kopf und sah erst Scarlett, dann Charlie eindringlich an.
"Madame Wynia ist nun bereit", sagte sie. "Ihr beide müsst mir jeweils eine Hand reichen, damit ich die Zukunft für euch klar sehen kann", sagte sie und Scarlett reichte ihr ihre linke, Charlie seine rechte Hand. Wieder war die Wahrsagerin eine Weile still. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig ein und aus.
"Eure Liebe ist schon alt", sagte sie dann. "Sie war eine ganze Weile lang weg, aber jetzt ist sie wieder da. Und sie wird bleiben und wachsen. Ihr seid wie Yin und Yang. Etwas, das nur zusammen vollständig ist!"
Scarlett sah Madame Wynia verwirrt an. Sie hatte oft die Erfahrung gemacht, dass Hellseher und Wahrsager ziemlich verallgemeinerte Aussagen trafen und so hin und wieder mit ihren Prognosen halbwegs richtig lagen, doch was Madame Wynia von sich gab, machte gar keine Sinn. Offensichtlich dachte sie, Scarlett und Charlie wären ein Liebespaar, und weil sie beide in ihren dreißigern waren, hatten sie sich wohl nicht erst gestern kennen gelernt. Sie hielten Händchen, also mussten sie sich gern haben. Scarlett war ein klein wenig enttäuscht, dass sie die Methoden der Wahrsagerin so einfach nachvollziehen konnte.
"Aber...es gibt ein großes Geheimnis zwischen euch", sagte Madame Wynia kurze Zeit später. "Wenn es nicht gelüftet wird, wird was ihr habt zerbrechen und ihr werdet euer Glück nirgendwo anders finden!"
Während Scarlett enttäuscht von den Aussagen war und rein gar nichts damit anfangen konnte, saß Charlie stocksteif auf seinem Sessel. Es konnte doch gar nicht sein, dass diese verrückte Frau, die in einem mit Samtvorhängen verhängten Gartenpavillon saß, wusste, was zwischen ihm und Scarlett lief, und dass es etwas gab, was er ihr unbedingt zu beichten hatte.
Madame Wynia sah die beiden eindringlich an.
"Kindchen, es ist keine andere Frau", sagte sie dann an Scarlett gewandt. "Es ist etwas, was einfach zu lösen ist, aber es ist ein Geheimnis, dass gelüftet werden muss!"
"Okay", sagte Scarlett und hatte plötzlich keine Lust mehr, weiter im Zelt zu bleiben. Diese Wahrsagerin war nicht halb so amüsant wie jene, die auf Rummelplätzen und Jahrmärkten vertreten waren. Sie stand auf und auch Charlie erhob sich.
"Vielen Dank, Madame Wynia", sagte Scarlett.
"Ja, Danke", sagte auch Charlie, doch als er Scarlett aus dem kleinen Zelt hinaus ins Freie folgen wollt, hielt Madame Wynia ihn am Arm fest.
"Du musst es ihr sagen, Junge", sagte sie und sah ihn aus ihren kleinen braunen Augen eindringlich an. "Du musst es ihr sagen, sonst
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