Bis wir uns wiedersehen (German Edition)
den Aufzügen ging. Draußen stürmte es wie verrückt, doch sie wollte Ihre Mutter nicht beängstigen, da diese ohnehin immer alles viel zu dramatisch sah. Als Scarlett nach New York gezogen war, wollte ihre überängstliche Mutter die Regel einführen, dass sie immer anrufen sollte, wenn sie im Krankenhaus angekommen war, oder aber, wenn sie nach dem Dienst nach Hause gekommen war. Eine Idee, die Scarlett ihr rasch wieder aus dem Kopf schlagen konnte.
Von Charlie hatte sie seit diesem Abend im Oktober nichts mehr gehört, und wie die ersten paar Male war er mit der Zeit mehr und mehr in Vergessenheit geraten, bis er schließlich völlig aus ihrem Kopf verschwunden war. Nach Weihnachten hatte sie zwei Dates mit einem Typen gehabt, den Carries Mann vom Büro kannte, doch es hatte sich schnell herausgestellt, dass die beiden nicht füreinander geschaffen waren. Die Weihnachtsfeiertage an sich hatte sie mit ihrer Familie in Portland verbracht einfach nicht die Richtige f Wochen. und sehr genossen. Sie liebte es, wenn die ganze Familie zusammenkam. Für sie fühlte es sich ein bisschen so an, als würde sie eine kleine Reise in die Vergangenheit unternehmen. Die Weihnachtsfeiertage in Portland waren auch heute noch so, wie sie es damals, Mitte der Achtziger waren, als Scarlett noch ein Kind war. Der Baum wurde gemeinsam geschmückt, es lief den ganzen Tag über Weihnachtsmusik, im Kamin brannte ein Feuer und es gab viel zuviel leckeres essen.
Sie war an diesem Wochenende im Februar nach Vermont gereist, um, passend zu dem Run vom Oktober, an einer Tagung über Herz-Kreislauf-Probleme bei Personen im fortgeschrittenen Alter teil zu nehmen und sich etwas weiter zu bilden. Just an diesem Wochenende war ein Hurricane namens Mitch über die Ostküste hergefallen sodass sämtliche Flughäfen dicht gemacht hatten und somit auch ihr Flug zurück nach Hause gecancelled worden war.
Jetzt stand ihr ein Wochenende in einem hübschen, großen Seminarhotel bevor, in dem sie bis vermutlich Montag Vormittag allein festsaß. Die Krakenhausbehörde hatte zwar ein mehr oder weniger uninteressantes Sturm-Überbrückungs-Programm entworfen, das aus einem Abendessen mit den anderen Teilnehmern und einer anschließenden Podiumsdiskussion über die Entwicklung der Medizin in den vergangenen zweihundert Jahren an der Ost- und der Westküste bestand, doch Scarlett hatte beschlossen, die Veranstaltung nach dem Abendessen zu verlassen. Zum einen war sie die einzige Teilnehmerin aus ihrem Krankenhaus, sodass sie sich beim Essen unter ihr völlig fremde, untereinander mehr oder weniger bekannte Personen mischen musste, was sie hasste und was wohl noch ein Überbleibsel aus ihrer Jugend war, in der sie sich aufgrund ihres Aussehens bei größeren Menschenmengen immer unwohl gefühlt hatte, wenn sie "ganz allein" daran teilnehmen sollte, und zum anderen würde ihr ein gemütlicher Abend ganz allein auf ihrem Zimmer mit ein paar Filmen aus dem Pay TV und etwas Eiscreme vom Zimmerservice nicht schaden. Die Vorstellung, einen gemütlichen Fernsehabend mit horrenden Kalorienmengen zu verbringen, wirkte geradezu verlockend.
"Wirst du es denn nächste Woche zum Barbecue schaffen", bohrte Grace am Telefon weiter.
Scarlett war bei den Aufzügen angekommen und hatte bereits einen gerufen.
"Natürlich. Warum sollte ich es nicht schaffen?"
"Und...wirst du alleine kommen?"
Scarlett rollte mit den Augen.
"Ja Mom, zum tausendsten Mal. Ich komme dieses Mal alleine und vermutlich auch die nächsten tausend Male. Irgendwann werde ich vielleicht jemanden mitbringen, aber dieser jemand wird zu einhundert Prozent nicht Jay sein!"
"Er war so ein feiner Kerl. Deine Großmutter und ich haben ihn sehr gemocht!"
"Schön, dann könnt ihr euch ja um ihn buhlen, er ist ja jetzt zu haben!"
"Scarlett!" Grace rief den Namen ihrer Tochter in demselben Ton, den sie schon benutzt hatte, als Scarlett noch ein Kind war und etwas anstellte.
Die Aufzugtüren öffneten sich und Scarlett trat ein und wartete, bis die Türen sich wieder schlossen.
"Weißt du, Scarlett, eine Beziehung besteht nicht immer aus eitel Wonne", begann Grace. Diesen Vortrag, von wegen, dass Beziehungen nicht immer eitel Wonne waren, hatte sie ihr schon eine Million Mal gehalten, seit sie sich, vor mittlerweile sieben Monaten, von Jay getrennt hatte. Offensichtlich konnte oder wollte sie die Trennung ihrer Tochter nicht verstehen, was wohl
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