Bis wir uns wiedersehen (German Edition)
einer Frau Ende dreißig am Tisch, die sich mit Charlie unterhielt und ihn alle paar Sekunden entweder am Arm oder am Oberschenkel berührte. Scarletts Herz setzte für einen Schlag aus und sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Magenboxer versetzt. Er hatte sie tatsächlich draußen in der Nische wie ein Stück altes Möbel abgestellt, um sich hier mit dieser Frau zu treffen. Er hatte es nicht einmal der Mühe wert gefunden, ihr zu sagen, dass er mit jemandem hier verabredet war und deshalb keine Zeit für sie hatte. Was für ein Mistkerl er doch war. Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie hinübergehen und ihn zur Rede stellen sollte. Dann kam sie zu dem Entschluss, dass sie erstens keine dieser hysterischen Zicken war, die jemanden "zur Rede stellten", und dass sie andererseits auch gar kein Anrecht auf seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. Und wenn er den Abend lieber mit dieser Frau verbrachte, dann hatte sie wohl zuviel in den bisherigen Abend hineininterpretiert.
"Hey, da bist du ja. Wo ist denn dein Ritter in strahlender Rüstung?"
Scarlett fuhr herum und sah Carrie hinter sich stehen.
"Sitzt da drüben bei seinem anderen Date für heute Abend", sagte sie.
"Was?" Carrie sah in die Richtung, in die Scarlett deutete. "Mistkerl, verdammter", fluchte sie dann. "Er hat sich hier mit dir verabredet, obwohl er mit dieser Alten dort drüben hier ist, oder was?"
"Keine Ahnung. Er wollte vorhin nur kurz was zu trinken holen und ist nicht wieder aufgetaucht. Also bin ich nachsehen gegangen und hab ihn dort drüben entdeckt! Und ich sagte dir doch, es war keine richtige Verabredung."
"Dieses Arschloch!" Carrie war außer sich.
"Ach, vergiss es. Jetzt hab ich wenigstens Gewissheit, und muss mir keinen Kopf mehr drüber machen, ob da mehr zwischen uns ist oder nicht", sagte Scarlett resigniert.
"Tut mir echt leid für dich", sagte Carrie tröstlich. Sie gönnte es ihrer Freundin nicht, so vom Regen in die Traufe zu geraten. Noch dazu, wo sie Charlie immer als so perfekte angesehen und beschrieben hatte. Sie hätte so ein verhalten wohl von jedem anderen Kerl auf der Welt vermutet - aber nicht von Charlie, dem gebildeten, intelligenten, kultivierten Typen, der sich für Theater interessierte, in seiner Freizeit gärtnerte und sie jedes Mal ansah, wie ein verliebter Schuljunge, wenn sie sich über den Weg liefen.
"Sollen wir nach Hause fahren?"
"Lass uns noch warten, bis die Übergabe des Schecks an das Herz-Kreislauf-Zentrum erfolgt ist. Deswegen sind wir ja schließlich hier", sagte Scarlett und sah noch einmal hinüber zu Charlie, der sich offenbar angeregt mit der Charles William Andrew HarrisoniehnFrau und dem älteren Paar unterhielt.
Charlie wollte sich am liebsten selbst ohrfeigen. Er saß bestimmt schon eine halbe Stunde hier mit den McEnroys, die unablässig versuchten, ihre gerade geschiedene, siebenunddreißigjährige Tochter Cora an in zu bringen. Scarlett war bestimmt längst auf und davon, was er ihr noch nicht einmal übel nahm. Aber es gelang ihm irgendwie nicht, sich von den McEnroys loszueisen. Er hatte mehrfach versucht, aufzustehen und zu gehen, doch immer wieder hatten entweder Ed oder Heather ihn festgehalten und gebeten, doch nur noch fünf Minuten hier zu bleiben. Er wusste nicht, warum er nicht einfach aufgestanden und gegangen war. Vielleicht war da etwas in ihm, das der Konfrontation mit Scarlett aus dem Weg gehen wollte. Etwas, das sich an diesen Rettungsanker namens McEnroy klammerte, um ihr nicht die Wahrheit sagen zu müssen.
"Oh, sehen sie nur, ich denke, sie überreichen jetzt den Scheck", rief Heather aufgeregt, als die Musik verstummte und ein Mann im Smoking auf der Bühne erschien.
"Ich bin gespannt, wie viel zusammengekommen ist", fragte sich Ed.
"Lasst uns alle nach vorn gehen, damit wir besser sehen können", meinte Cora, die Charlie schon ganz zu Anfang davon erzählt hatte, dass sie ohne ihre Kontaktlinsen blind wie ein Maulwurf war. Sie standen also alle auf und versuchten, etwas näher an die Bühne heranzukommen. Charlie fragte sich, warum er die Gelegenheit nicht nutzte, sich von den McEnroys verabschiedete und Scarlett suchte, doch insgeheim wusste er, dass die Nische leer und Scarlett verschwunden sein würde, wenn er hinaus kam. Was ihr niemand verübeln konnte. Immerhin wollte er nur kurz Champagner holen. Vor über einer Stunde.
Die Scheckübergabe - es waren über einhunderttausend
Weitere Kostenlose Bücher