Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
anderen nehmen die Toms immer von unten ab, nicht wie du von oben.« Aber nach dem Soundcheck war er ganz begeistert. Ab da haben wir dann zusammen gemacht.
Ich bin immer mit der Band gewachsen: noch mehr Bassboxen, Monitor-Pult, die ganze Elektronik. Bis ich mir das irgendwann nicht mehr leisten konnte, da wurde dann dabeigeliehen von einem Partner, Helmut aus dem Sauerland, der das in der Garage zu stehen hatte, und dat paßte genau mit unseren Sachen zusammen. Dann wurde weiter aufgerüstet, Monitore und alles aktiv. Danach ging dat los mit »Alex« und größeren Dingern, da waren Elmar und ich nur noch am Zusammenschrauben, hatten kaum noch was mit der Band zu tun. Das fanden alle scheiße. Dann kamen Angebote von »Rocksound« und so großen Firmen, mit denen konnten und wollten Elmar und ich nicht konkurrieren. So wurde ich Bandbetreuer und Elmar »Stage Manager«, und damit war die Gang wieder zusammen.
Ich fand das immer gut, wenn etwas laut war, bunt und frech, Rock’n’Roll und Entertainment eben, wie bei Zappa und Piet Kröte. So war das bei den Hosen für mich auch. Ich hab diejungs immer verteidigt vor Kollegen und Musikern, hab denen gesagt: »Hört mal, ich scheiß aufTypen, die auf der Bühne nur rumwichsen, auch wenn sie noch so schnell und gut sind. Es geht um Entertainment und dat die Leute Spaß haben, denn dat Volk will unterhalten werden, und das haben diejungs im Griff - und wenn sie besoffen in den Verstärker kippen!« Nur wie da welche alle Songs mitsingen können, versteh ich nicht. Ich hab zum ersten und einzigen Mal genauer hingehört bei »Armee der Verlierer« - damit konnte ich als Wanner wat anfangen. Aber was da sonst so hintersteckt, dat interessiert mich nicht.
Manches Mal haben wir fünfundfünfzig Gigs hintereinander abgerissen, davon waren immer ein paar miserabel. Ich weiß noch, wie Campi einmal den Text von »Alex« vergessen hatte, also ausgerechnet vom Superhit, und ich steh vor den Monitorboxen und schäme mich in Grund und Boden. Da kommt Peter Rüchel vom WDR-Rockpalast an, nimmt mich in den Arm und sagt begeistert: »Ja, Faust, das ist Rock’n’Roll, die haben’s drauf!« Die Leute können sich gar nicht vorstellen, daß wir manchmal wirklich so schlecht sind. Die halten das für die perfekte Show. Ich sag auch immer: Niemand kann ihre Stücke schlechter covern als die Band selbst, wenn’s sein muß.
Wir waren immer eine Gang, wenn wir unterwegs waren, und wenn nicht, fielst du sofort in ein Loch. Du bist dieses Abenteuer gewohnt und diesen rüden Umgangston. »Fotz-kopp«, »Pißlippe« - die besten Mode-Dinger wurden bei uns immer prämiert. Du lebst in deinem Tourfilm und machst dir überhaupt keinen Kopp. Meine Ex, die Petra, hat immer gesagt: »Geh du mit deinen Jungs auf Tour, und du vergißt mich sofort.« Und das Erschreckende war: Sie hatte Recht!
Dabei waren wir gar nicht die großen Helden, die ständig Weiber abziehen, also sowas nicht. Wir waren mehr so ein Männerverein, immer Scheiße bauen und was weiß ich.
Klar hat das interessiert, wenn Campi gesagt hat: »Ich gehe nie wieder fremd«, und du wußtest genau, der ist ganz heiß auf diese Schwarzhaarige und die auch irgendwie auf ihn, und du hast hundert Mark drauf gewettet und dann auch gewonnen. Und es gab auch diesen Wildschwein-Paß für den, auf den am meisten rumgevögelt wurde. Aber das war nicht wie bei anderen Rockbands oder bei Prince, wo die Leute an der Backstage-Tür Schlange stehen und einer kommt vielleicht mal rein. Dagibt es zwar einen Raum, wo nicht jeder reinkommt, aber das davor ist freigegeben, da braucht keiner irgendwie Streß zu machen. Diejungs sind auch nie so abgebrüht gewesen, daß die mich rausgeschickt hätten von wegen »Pick mal die auf, ich brauch
»Immer noch die gleichen Lutscher wie am Anfang«: Ohne Hosen in Frankfurt/Main 1987
was zu pimpern!« oder so, diese Macho-Scheiße lief einfach nicht.
Ich würde das auch für keine andere Band machen, daß ich da mit den Bademänteln und Handtüchern hinter der Bühne steh. Dat mach ich nur, weil es meinejungs sind. Ich bin doch selbst’n King, irgendwie. Ich mein, jeder macht sein Ding so gut dat geht auf dem Platz wo er ist, und da kenn ich keine Hemmungen. Denn eigentlich sind dat immer noch die gleichen Lutscher wie am Anfang, und ich dann irgendwie auch.«
Unsere Taktik hiess »Ruhm durch Penetranz«. Wo immer man uns ertrug, spielten wir. Wir ließen kein noch so verlassenes Nest, keinen Weiler und
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