Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
Vom Netzwerk:
für die Arbeit an neuen Songs einzuquartieren. Wir wollten nicht mehr beschließen, von drei bis um sieben kreativ zu sein und dann wieder auseinander zu gehen, wie fünf Aktionäre, die ihre Geschäfte organisieren - also fünf mehr oder weniger Fremde. So läuft es mit Ideen einfach nicht. Also brachten wir Decken und Schlafsäcke mit, wenn wir ins Studio oder zu Campi gingen, und hockten drei, vier Tage lang zusammen, wie das Klassenzimmer im Landschulheim. Und genau wie in einem Heim funktionierte das bei uns - jeder Rückzug ins Private war dadurch weitgehend verstellt.
    Wir hatten fast immer einen Kasten Bier und ein bißchen was zu kiffen, und wir hatten Zeit und Gelassenheit. So fertigten wir Fragmente und nahmen auf, sobald uns etwas halbwegs tauglich erschien. Was sich nicht gleich zusammenfügte, ließen wir liegen. Wir schufen, brachen ab und gingen später wieder dran. Nur cool bleiben, nichts zwingen, aber auch nicht zu lange brüten. Es sollten Ideen entstehen, so viele wie möglich, nicht unbedingt komplette Songs.
    Einmal ging Breiti bei einer Session pinkeln, und wir anderen sagten uns: »Wenn der zurückkommt, haben wir einen neuen Song!« Wir schafften es tatsächlich, bevor Breiti mit leerer Blase zurück war. Das war der Sportsgeist dieser Tage, der Jugendherbergs-Geist. Wir wollten uns selber überraschen mit diesen Songs, und, verdammt nochmal - heute, am ersten freien Tag danach, weiß ich: Es ist uns gelungen. Das -und nichts anderes - zählt für mich an diesem eiskalten Jubiläumstag.
    Nur wüßte ich gerne mal, wie Jon, unser Produzent, das alles bis heute ausgehalten hat. Von der »Opel Gang« bis »Opium« hat er noch jede Hosen-Platte abgemischt, ohne einmal unser erst spät entwickeltes Verständnis für die feinen Details bei der Arbeit im Studio zu verfluchen. Muß doch schrecklich gewesen sein, besonders am Anfang - oder,Jon?
    »Ich habe mit genügend Bands gearbeitet, die schlechter waren als die Hosen am Anfang. Aber es war schon eine ziemliche Herausforderung, sie vom Sound her dahin zu bringen, wo sie hin wollten. Zunächst waren ja nur Kuddel und Campi musikalisch halbwegs fähig. Doch die Musik ist nicht die einzige Sache. Es geht auch um die Personen. Für mich ist es wichtig, mit Leuten zu arbeiten, die ich mag und deren Entwicklung ich akzeptieren kann. Es ist nicht wichtig, wieviele Leute die Platte nachher kaufen, sondern den Moment mit ihnen zu erleben, wo sie entsteht.
    Jeder denkt, die Hosen wären absolut chaotisch, aber in Wahrheit sind sie mit Abstand die am härtesten arbeitende Band, mit der ich je zusammengekommen bin. Viele Bands brauchen erstmal ein paar Stunden zum Aufwärmen, aber bei den Hosen geht es immer sofort voll los. Einmal im Studio, gibt es nur noch Arbeit, Arbeit, Arbeit. So haben sich alle im Laufe der Jahre unglaublich gesteigert. Als ich Breiti jetzt bei den neuen Aufnahmen hörte, konnte ich es anfangs fast nicht glauben. Er hat hart an sich gearbeitet in den letzten Jahren, genau wie Andi.
    Als wir in Berlin das vierte oder fünfte Album aufnah-men, sagte ich: »Was ist los, Andi, du kannst ja plötzlich Bass spielen!« Und er sagte: »Ich habe mir nach der letzten Platte gedacht: Als Bassist muß ich Bass spielen können, oder ich lasse es besser sein.« Sogar Kuddel nahm Stunden in Banjo und Flamenco-Gitarre, während wir in Düsseldorf die neue Platte aufnahmen.
    Und trotzdem sind sie in dem Sinne keine Künstler. Sie machen es einfach, weil sie anscheinend Spaß daran haben, und deshalb machen sie auch immer weiter. Als wir »Opel Gang« aufnahmen, hätte ich nie daran gedacht, mit denen dreizehn Jahre später noch immer in einem Studio zu sein.
    Erst als wir ein Jahr später zusammen »Unter falscher Flagge« aufnahmen, merkte ich, daß sie dabei waren, sich zu entwickeln und weiterzumachen - genau wie ich.
    Ich wollte eigentlich immer schon in einem Tonstudio sein. Als ich dreizehn war, hatte meine ältere Schwester einen Freund, der jetzt ihr Ehemann ist und ein kleines Vierspur-Studio in Manchester besaß. Ich wußte sehr früh, daß es das war, was ich von nun an machen wollte. Zuerst stand ich aber mehr auf Reggae. Ich arbeitete im Goosberry-Studio, dem wichtigsten für Reggae in London, mischte die Platten von Linton Kwesi Johnson und Prince Far I und lernte viel von Dennis Bovell, dem damaligen Chief Engineer. Als Punk losging, war ich so mit Studioarbeit beschäftigt, daß ich es gar nicht richtig mitbekam. In meinem fünften

Weitere Kostenlose Bücher