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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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oder sechsten Job war ich für die Sex Pistols-Platte engagiert worden, aber für mich lief es darauf hinaus, ein bißchen zu helfen und ans Telefon zu gehen.
    Ich langweilte mich gerade im Hotline-Studio in London, als die Gelegenheit kam, nach Deutschland zu gehen. Ich hatte mich immer schon für deutsche Bands wie Kraftwerk und Can interessiert, und jetzt konnte ich mit Abwärts und den Einstürzenden Neubauten arbeiten. Mit den Hosen war es dann aber etwas anders. Sie waren nicht sehr teutonisch in ihrer Art und hatten immer viele Melodien. Und Campi war ein Sänger, der auf der Bühne von Anfang an sehr charismatisch wirkte.
    Ich war früher sicher chaotisch und unzuverlässig, aber ich habe nicht ganz so viele Flugzeuge verpaßt, wie erzählt wird. Die Jungs übertreiben ihre Geschichten gerne. Aber ich erinnere mich, wie ich einmal nach der Arbeit mit den Neubauten aus Berlin zurückkam und sofort bei den Hosen weitermachte. Solange du in deinen Zwanzigern bist, kannst du dir sowas auch erlauben. Und einmal sauste ich so spät zum Flughafen Heathrow, daß ich an der geschlossenen Tür der Maschine anklopfen mußte, um noch mitgenommen zu werden.
    Unsere langjährige Beziehung ist einer der Gründe, warum es so gut funktioniert. Ich weiß, wozu die Jungs fähig sind, wir kennen uns einfach. Manchmal steht Kuddel auf der anderen Seite der Studio-Glasscheibe, und ich brauche ihn nur anzuschauen, damit er weiß, was ich meine. Als wir an der »Lear-ning English« arbeiteten und die Jungs wirkten, als könnten sie ebenso gut von neun bis fünf in einer Bank arbeiten, sagte ich zu Campi: »Vielleicht braucht ihr mal einen anderen Produzenten, um einen neuen Kick zu kriegen.« Aber Campi sagte, das sei das letzte, was sie wollten. Und dann fanden wir zusammen einen Weg.
    Es gibt nicht viele Bands, die nach soviel Alben entscheiden, wieder etwas anderes zu machen. Als wir jetzt im Skyline-Stu-dio die ersten Demo-Sessions für die neue Platte machten, konnte ich es fast nicht glauben. Es war aufregend, mit diesem Material zu arbeiten, aber es war auch ein ziemlicher Schlauch. Wir haben mehr als dreißig Stücke aufgenommen, und nebenbei hatte die Band noch so viele andere Verpflichtungen. Manchmal mußten wir die Aufnahmen regelrecht um ihre Promotion-Aktivitäten herumstricken, statt umgekehrt.
    Wie ich mit dem neuen Album zufrieden bin, kann ich aber noch nicht sagen. Ich brauche ungefähr ein Jahr, bis ich den Abstand dazu habe und es mir daraufhin anhören kann. Du kannst nur so gut es geht deinem Gefühl folgen, während du damit beschäftigt bist, und ich fühlte mich ganz gut zu der Zeit. Andi hat mich vor den Aufnahmen mal gefragt, wie ich sie diesmal klingen lassen wollte, und ich sagte: »Ich werde euch klingen lassen wie Die Toten Hosen.«
    Du sollst keine großen Ideen haben, heißt das elfte Gebot für jeden Menschen in einer Band. Höchstens ein paar kleine; zwei, drei kurze Enden, die in den Topf geworfen werden. Das Ding zum Kochen bringen muß die Band. Wir hatten nicht viel mehr als einen Titel, als wir im Winter 92/93 mit den Arbeiten an unserem ersten regulären Studioalbum seit der Doppel-LP drei Jahre zuvor begannen. Das Ding sollte »Kauf mich!« heißen, weil es darauf ja hinauslief; so gut wie alles andere mußte sich in den nächsten Monaten finden.
    Anders als bei früheren Produktionen, waren wir von Konzept und Titel diesmal alle gleich begeistert. In »Kauf mich!« lag der Geist einer Zeit, in der die Dinge ganz direkt angesteuert werden. Von Mike Tyson bis Madonna peilten die Ikonen dieser Ära Ruhm und Reichtum ohne Umwege und völlig unverbrämt an. Keine B-Noten für besonderen Ausdruck, keine Skrupel und Ideologien - nur das nackte, gierige Individuum. Das war im Grunde nur noch zu steigern, indem man alle gängigen Schlüsselreize für den Kauf einer Platte -geköpfte Hühner, minderjährige Pin-Ups, die ganze Cover-Folklore - durch die Angabe der Bestellnummer in übergroßen Ziffern ersetzte. Diese Grönemeyer-Simulationen vom netten Kerl um die Ecke, die Mythen von weißen Soul-Marxisten und schwarzen »Gangstas« - alle Haltungen würden danach als Tricks erscheinen, um an die Kohle der Kids zu kommen, ob sie nun »ehrlich« gemeint sind oder nicht.
    Und so sollten wir es dann auch machen. Das einzige, was vorher noch geschehen mußte, war Musik. Aber wie macht man Musik? Manchmal fing es damit an, daß einer von uns mit einer starken Ausgangsidee im Proberaum aufkreuzte. Breiti

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