Bis zum bitteren Tod (German Edition)
Fahndungsaufruf?
»Nein, nicht ganz, wir haben keinerlei Beweise, dass Miss Carla Martin in die Sache verstrickt ist. Aber sie ist wohl die letzte Person gewesen, die mit ihm gesprochen hat, bevor er die Bar verließ. Und vielleicht hat sie ihn auch noch auf dem Hotelparkplatz gesehen, als sie ging. Barkers Leichnam ist am Ende des Parkplatzes zur Straßenseite hin gefunden worden.«
Wie viel Zeit lag zwischen seinem und ihrem Verlassen der Bar?
»Höchstens 20 Minuten, nehmen wir an.«
War sie in ihn verliebt? Ich meine, sind sie zusammen ausgegangen?
»Bislang ist die Antwort darauf ein entschiedenes Nein . Laut seinen Freunden hat Mr. Barker ihr mehrmals Avancen gemacht, die sie jedoch immer abgelehnt hat.«
Wo hat Carla gewohnt? Im Hotel?
»Gute Frage. Sie hat nicht im Hotel gewohnt, und anscheinend hat sie ihre Personaldaten aus den Unterlagen des Hoteldirektors verschwinden lassen. Deshalb können wir nicht sagen, wo sie gewohnt hat. Aber es muss ganz in der Nähe gewesen sein. Sie ist jeden Tag zur Arbeit gekommen.«
Wann hat sie gekündigt?
»Gar nicht. Sie ist heute einfach nicht zur Arbeit erschienen. Sie hätte um 17 Uhr anfangen sollen. Wie spät ist es jetzt? 20 Uhr. Und bislang ist sie noch nie zu spät gekommen.«
Ziemlich verdächtig, oder?
»Ziemlich verdächtig«, stimmte Joe Segel zu. »Aber das heißt nicht, dass sie ihn umgebracht hat.«
Viele Leute dürften da anderer Meinung sein. Also doch ein Fahndungsaufruf. Das muss Ihnen doch klar sein, Sir.
»Nein, es ist kein Fahndungsaufruf. Vielleicht ist sie auch nur geflohen, weil sie auf dem Parkplatz etwas gesehen hat und aus irgendeinem Grund nicht will, dass sie mit hineingezogen wird. Und selbst wenn sie ihn umgebracht hat, könnte es aus reinem Selbstschutz gewesen sein. Wir wissen nicht, ob er sie angegriffen hat. Er war ein großer Mann, und der Reißverschluss seiner Hose stand offen.«
Großer Gott, Joe. Wollen Sie damit sagen, dass sein Schwanz in aller Öffentlichkeit zu sehen war?
»Na ja, nur für jene Zeitgenossen, die nach Sonnenaufgang zufällig am Westende des Hotelparkplatzes vorbeigekommen sind.«
Sie gehen davon aus, dass es ein sexueller Übergriff auf Carla war?
»Das würde ich nicht ausschließen. Aber das alles kann nur geklärt werden, wenn wir Carla Martin finden. Und dafür möchte ich Sie um Ihre Hilfe bitten.«
Einige Pressevertreter nickten und fragten nach Einzelheiten zu Matt Barkers Zuhause und zu seinen Verwandten. Andere stürzten sich vorwiegend auf den sexuellen Aspekt des Falls. Joe sagte, er sei gern bereit, in einer Stunde Pressevertreter privat in seinem Büro zu empfangen.
Er wusste um den Wert der Publicity, die der Fall entfachen würde. Aber er war nicht bereit, sich weiterhin vor gemischtem Publikum über Barkers Latte auszulassen.
Die Fragen der Journalisten hielten Detective Segel dann weitere eineinhalb Stunden in seinem Büro fest, bis er der Sache ein Ende machte. Er schaltete das Licht aus, verschloss die Tür und ging wie so oft auf einen Schlummertrunk zum Estuary Hotel.
Als er jedoch die Tür öffnete, war der Raum voller Journalisten. Die meisten waren hier abgestiegen, versuchten Interviews mit den Einheimischen zu ergattern und bereiteten ihre Schlagzeilen vor, die sie auf die Welt losließen.
KALTBLÜTIGER MORD SCHOCKIERT KLEINSTADT IN VIRGINIA
Bundespolizei ruft Großfahndung nach mysteriöser Frau aus
Detective Joe Segel zog sich nach Hause zurück. Er hatte an dem Tag schon genug Fragen beantwortet. Und außerdem sollte er früh wieder auf sein, wenn in den nächsten Stunden die Medien losschlagen würden.
Dennoch machte er sich etwas deprimiert auf den Heimweg, weil er wusste, dass auf ihn eine ebenso deprimierte Frau warten würde, die ihm nur wieder sagte, sie wisse gar nicht mehr, wie er überhaupt aussehe – so, wie sie es immer tat, wenn er mit einem wichtigen Fall beschäftigt war.
Joe, 46 Jahre alt, hatte spät geheiratet, und Joanne, die sehr viel jünger war, erst Ende 20, ließ ihn deutlich merken, dass sie genug davon hatte, mit einem Polizeibeamten verheiratet zu sein. Sie hatte es schon vor langer Zeit aufgegeben, ihm noch ein spätes Abendessen zuzubereiten.
Und es würde Fragen zu der mysteriösen Frau geben, er wusste es. Deshalb hätte er gern im Estuary auf einen Drink vorbeigeschaut. Um nur für eine Stunde mal den Kopf freizubekommen. In Wahrheit hatte Joe von dieser mysteriösen Frau so ziemlich die Schnauze voll. Wo zum Teufel
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