Bis zum bitteren Tod (German Edition)
steckte sie? Zumindest bestand morgen eine reelle Chance, dass einige Fragen über sie beantwortet wurden.
Die mysteriöse Frau bekam zu diesem Zeitpunkt von alledem nichts mit, sie schlief tief und fest, 6500 Kilometer entfernt, in ihrem luxuriösen Zimmer im Shelbourne Hotel in Dublin. Die eingeleitete Großfahndung konnte ihr nichts anhaben, sie befand sich außerhalb der USA und vielleicht sogar außerhalb des Gesetzes, genau, wie sie es geplant hatte. Die Polizei in Virginia kannte noch nicht einmal ihren Namen.
Die Spätnachrichten im amerikanischen Fernsehen waren voll davon. Die Geschichte kam besser an, als alle ursprünglich erwartet hatten, vor allem jener Teil, der Barkers Latte betraf. Um 22.30 Uhr war der Name von Detective Joe Segel an der Ostküste allen Haushalten mehr oder weniger bekannt.
Fox Channel brachte es als Aufmacher. Der Moderator, vor dem Estuary Hotel in Szene gesetzt, verkündete: »Ein sexueller Übergriff, der furchtbar fehlschlug. Hier in dieser verschlafenen Kleinstadt an den Ufern des Rappahannock River wurde ein hoch angesehener Geschäftsmann heute Morgen mit einem edelsteinbesetzten Dolch in der Brust tot aufgefunden. Nach dem Zustand seiner Kleidung zu schließen, glaubt die Polizei, dass er versucht habe, eine andere Person zu vergewaltigen.
Die Tat geschah auf dem Parkplatz des Estuary Hotel in Brockhurst, Virginia. Laut Polizeiangaben soll es gegen Mitternacht passiert sein. Im Moment gibt es nur eine Tatverdächtige, die attraktive Barfrau des Hotels, Carla Martin.
Der Tote, Mr. Matt Barker, ist der Besitzer einer örtlichen Autowerkstatt. Er hatte sich am Abend in der Hotelbar aufgehalten und soll Miss Martin mehrmals Avancen gemacht haben, die allerdings auf Ablehnung stießen. Die beiden verließen die Bar im Abstand von 20 Minuten. Miss Martin ist nach den Aussagen der Polizei seitdem verschwunden und hat dadurch diese ganz gewöhnliche amerikanische Kleinstadt in einen Schockzustand versetzt.«
Daraufhin wurden Interviews eingespielt. Den Anfang machte Joe Segel, der hervorhob, wie wichtig es sei, Miss Martin zu finden, die, wie er sagte, große Mühen darauf verwandt habe, alle Spuren zu verwischen.
Weiter ging es mit einem von Matt Barkers Freunden, Herb, dem Fotografen, der nichts Erhellendes über den Grund von Matts Tod oder über den Aufenthaltsort von Carla beizutragen wusste.
Die nächste Gesprächspartnerin war von der Nachrichtenredaktion für den Schluss aufgespart worden. Mrs. Price, die Putzfrau, die den Leichnam entdeckt hatte, gab zum Besten: »Na ja, ich war ja ganz schockiert, das kann ich Ihnen sagen. Matt Barker, wie er so dalag, mit diesem großen Ding, das da in die Höhe gereckt war.«
Mrs. Price, damit meinen Sie vermutlich den Dolch?
»Nein, Sir. Ich meine nicht den Dolch.«
Schnitt zum Studio. Lächelnde Moderatoren, ein ernster Mann, eine umwerfende Blondine. Tolles Fernsehen. Das halbe Land warf sich weg vor Lachen. Darum ging es doch, oder? Dass die Zuschauer lachten. Sogar mitten in einer Mordfahndung.
Die Morgenzeitungen nahmen sich unerschrocken des Themas an. Die Washington Post brachte die Story auf der Titelseite gleich unter der Hauptschlagzeile.
MYSTERIÖSER MORD ERSCHRECKT KLEINSTADT
Polizei sucht spurlos verschwundene Barfrau
Andere Presseerzeugnisse waren weniger zurückhaltend. Eines der Boulevardblätter brachte die Schlagzeile:
SEXBESESSENER MECHANIKER VON BARFRAU ERMORDET
Eine andere:
VERGEWALTIGUNGSVERSUCH AUF HOTELPARKPLATZ ENDET TÖDLICH
Joe Segel interessierte dabei allerdings nur, dass sie alle das Phantombild von Carla Martin abdruckten und betonten, wie wichtig es sei, die mysteriöse Frau aufzuspüren. Joe hoffte, dass bis zur Mittagszeit einige ernsthafte Spuren eintrudelten. Schließlich handelte es sich hier um einen wichtigen lokalen Mordfall, der auf jeden Fall aufgeklärt werden musste.
Es war Mittwoch, der 4. Juli, Nationalfeiertag, was auf die Fahndung natürlich keinen Einfluss hatte. Joe musste drei Telefonisten aus einer anderen Stadt anheuern, damit sie alle Anrufe entgegennehmen konnten. Denn es gab Anrufe, dutzendweise. Die, geografisch gesehen, jedoch allesamt wertlos waren. Joe hatte auf seiner Karte an der Wand einen großen Kreis mit 100 Kilometer Durchmesser eingezeichnet, in dessen Mitte die Stadt lag. Das hieß, 50 Kilometer in jede Richtung.
Fast alle Anrufer bezeichneten oder identifizierten Verdächtige, die sich außerhalb dieser Zone aufhielten, Orte, die
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