Bis zum Ende der Welt
sie wund sind. Such dir einen, der verheiratet ist, die machen’s mit Kondom.»
Anna wusste, wen sie suchte. Sie suchte den einen, der bei jeder Party zu finden ist.
Es kam, wie Jelena es vorhergesagt hatte. Die Männer starrten sie an, ihre Blicke wanderten an ihr herauf, über die Beine, den Bauch, die Brüste bis hin zum Gesicht, und dann fühlten sie sich ertappt und sahen schnell wieder weg. Anna stand am Buffet, aß in Öl eingelegtes Gemüse, Anchovis und Fleisch mit einer fettigen, braunen Soße und schaute sich um.
Der Mann saß etwas abseits auf einer Couch. Vor ihm auf dem Tisch stand ein leeres Glas. Er war vielleicht Ende dreißig, und auch er hatte sie angestarrt. Aber nicht lange. Dann hatte er sich nach einem der jungen, herausgeputzten Kellner umgesehen, die auf einem Tablett Getränke anboten. Und als einer ihn übersah und mit seinem Tablett weiterging zu Jelena, die sich zu einem feisten Kerl im Leinensakko gesetzt hatte, da glaubte Anna in seinem Gesicht gleichzeitig Ärger, Ungeduld und Scham zu entdecken, Gefühlsregungen, die sich erst legten, als der Kellner ein weiteres Mal an ihm vorbeikam, stehen blieb, sich kurz zu ihm umdrehte und ihm ein volles Glas hinstellte. Anna ging auf den Kellner zu, nahm sich ein Glas und setzte sich neben den Mann auf die Couch.
Er trug einen hellen Anzug und ein weißes Hemd, hatte blondes, kurzgeschnittenes Haar und davon im Gegensatz zu manch anderem Herrn im Penthouse noch ziemlich viel. Ein paar Strähnen fielen ihm ins Gesicht, ob zufällig oder mit Absicht, war nicht ganz klar. Er hatte etwas Jungenhaftes an sich, das typische Äußere eines Mannes, der in der Mitte seines Lebens angekommen war, ohne es zu bemerken. Ihr fielen seine Augen auf: grau und schon etwas glasig. Sie hatte es nicht anders erwartet.
«Hallo», sagte sie und prostete ihm zu.
Er prostete zurück, leerte die Hälfte des Glases mit dem ersten Schluck und entspannte sich ein wenig. «Ich, also, ich bin der Peter», sagte er.
«Ich bin», sagte Anna und nippte an ihrem Glas, «Ruslana.»
«Ach», sagte er, und ihr entging nicht, dass er versuchte, die Wörter langsam und deutlich auszusprechen, damit sie nicht merkte, wie viele Gläser er an diesem Abend schon getrunken hatte, «wie die, die … also die ukrainische Sängerin?»
Anna nickte.
«Die den Grand Prix Eurovision gewonnen hat?», fragte er.
«Ja», sagte Anna.
«Wild dances oder so?»
Anna lächelte.
«‹Hey, hey!›, so ging das, oder? ‹Hey, hey!›» Er griff nach den Zigaretten, die vor ihm auf dem Glastisch lagen, zündete sich eine an, trank einen Schluck Sekt und musterte sie. «Tolles Kleid», sagte er dann.
Anna schaute sich um. Der Raum schien über die gesamte Breite des Gebäudes zu gehen. An der Seite, wo sich der Aufzug und der Zugang zum Treppenhaus befanden, zweigten zwei Flure ab. Der linke führte zur Küche, Garderobe und zu etwas, das wie ein Arbeitszimmer aussah. Kellner mit frisch bestückten Tabletts kamen von dort. Sie sah, wie Borys und Alex, ins Gespräch vertieft, in diese Richtung verschwanden. Der Flur rechts führte zu einer Reihe von Zimmern – sie hatte die weißen, geschlossenen Türen gesehen.
«Was feiert ihr hier?», fragte sie.
«Den Umsatz», antwortete er, «den scheißtollen Super-Umsatz.» Er trank den Sekt aus. «Die Top-Händler bekommen ab und zu eine Party spendiert. Im Herbst. Im Frühjahr gehen wir segeln. Da chartert die Company ein Segelschiff, und dann gehen all die wunderbaren Top-Händler segeln.»
«Und du bist ein wunderbarer Top-Händler?», fragte sie.
Der Kellner brachte zwei volle Gläser, der Mann auf der Couch murmelte einen Dank, dann zündete er sich eine neue Zigarette an, inhalierte und sah dem Rauch nach. Er habe ja mal was ganz anderes machen wollen, sagte er. «Du wirst es mir nicht glauben, aber wenn ich so zurückdenke, dann bin ich in das ganze Finanzdingsda nur reingerutscht, unschuldig reingerutscht, hatte halt beim ersten Deal gleich einen fetten Return.» Er hob seine Hände und betrachtete sie, als würden sie nicht zu ihm gehören. «Eigentlich wollte ich Musik studieren. Ja, echt, Musik, das ist etwas, was den Leuten Spaß macht, und nich’ irgendwas, bei dem sie immer gleich dran denken, ob sich das steuerlich rechnet oder so. Musik.» Er sah sich um. «Wo ist der Return, verstehst du? Die immer gleiche Frage. Wo ist der Return?» Er trank einen Schluck. «Die haben mich nich’ genommen.»
An der Stirnseite des Raumes,
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