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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Zähringer
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nahezu verlassen.
    In einer größeren Ortschaft hielten sie vor einer Bar, stiegen aus und gingen hinein, bestellten Bier und etwas zu essen: Backpflaumen mit Speck, Fleischkroketten, Oliven. Sie setzten sich an den Tresen, und der Kellner stellte zwei Gläser vor sie hin, ohne den Röhrenfernseher aus den Augen zu lassen, der von der Decke in den schlauchartigen Raum hineinhing. Ein Fußballspiel lief. Vor dem Fernseher saßen ein paar Männer an einem Tisch vor ihren halbleeren Gläsern und starrten kopfschüttelnd auf den Bildschirm, und einer drehte sich zu ihnen um und hob die Hand, träge und schwer vom Nachmittagsbier, rief etwas, und der Kellner nickte. Rauch stieg über ihren Köpfen auf, und der Mann, untersetzt und breitschultrig, in den Dreißigern, das Haar noch voll, betrachtete Anna von oben bis unten, wobei er sich auf die Lehne des Stuhls stützte, den Rücken gespannt, als wollte er gleich aufstehen. Ein Tor fiel, und unter den Männern brandete verhaltener Jubel hoch, als wäre ihre Mannschaft, obwohl sie gerade ein Tor erzielt hatte, so oder so zu weit im Rückstand, als könnte das Blatt in der verbliebenen Zeit nicht mehr gewendet werden. Der Mann sackte in sich zusammen, blieb sitzen und schaute wieder in die Röhre, während der verbotene Rauch unter der Decke um einen stillstehenden Ventilator schwebte.
    Neben der Bar fand sich ein kleiner Laden, in dem sie offenen Wein in einer bauchigen Glasflasche, Wasser, Schinken und Brot kauften. Sie fuhren weiter, aus der Ortschaft hinaus, vorbei an brachliegenden Feldern und Marschland. Ein rostiges Schild warb für den «Laguna»-Aquapark direkt am Strand, und sie folgten dem schmalen, notdürftig asphaltierten Weg am Zaun des Vergnügungsparks entlang, sahen die verschlungenen Wasserrutschen und leeren Becken, die vom Sand und Gesträuch längst zurückerobert worden waren. Ein riesiger Gorilla aus Blech, Verwandter King Kongs, aus dessen Maul eine der Rutschen kam, hatte hinter dem verrammelten Eingangstor seine Fäuste wütend zum Himmel erhoben, wo die Abendsonne hochfliegende Wolkenbänder orange färbte. Anna ließ die Scheibe herunter und hörte das Quietschen offenstehender, vergessener Türen und ein dumpfes Heulen in den rostigen Röhren, wenn eine auflandige Böe über das weite, flache Areal fegte.
    Der Schotterweg endete hinter dem Vergnügungspark in den Dünen, und Laska fuhr noch ein Stück weiter, dann hielt er an. Hinter ihnen, jenseits des Zauns, ragten die Silhouetten zweier lebensgroßer Saurier in den Sonnenuntergang hinein. Vor ihnen lag, beinahe unbewegt und grau und bleiern und alt, wie die See es an einem stillen Tag im November sein kann, das Meer.
    Anna ging barfuß ans Ufer, den kleinen, nach Land tastenden Wellen entgegen, bis sie bis zu den Knöcheln im kalten Wasser stand. Sie schaute zu, wie das Meer seine Finger nach ihr ausstreckte und ihre Füße umspülte und sich dann wieder zurückzog. Sand und Wasser rieben zwischen ihren Zehen.
    «Das ist das erste Mal!», rief sie Laska zu. «Das erste Mal im Mittelmeer!»
     
    Nachdem die Sonne untergegangen war, wurde es kühl. Sie saßen neben dem Auto auf einer Decke und tranken den Wein, lauschten schweigend dem leisen Rauschen der Brandung.
    «Also, wenn wir sind in Portugal, was wirst du machen?», fragte sie.
    «Das, was ich dort immer gemacht habe. Den Himmel beobachten.»
    «Und weiter nach Kometen suchen? Oder unbekannten, riesigen Asteroiden?»
    «Ja.»
    «Damit der deinen Namen bekommt? Toll, dann bist du berühmt.»
    «Nein, darum geht es mir nicht …»
    «Du willst nicht berühmt sein? Dann finde ich es komisch, dass du bald stirbst und nach einem Eisklumpen im All suchst. Du könntest ja auch was ganz anderes machen.»
    «Was denn zum Beispiel?»
    «Mhm. Weiß nicht. Wasserski fahren, Drogen ausprobieren, mit Fallschirm springen.»
    «Das ist doch albern.»
    Sie hatte die Arme hinter sich aufgestützt. Eine Sternschnuppe zog ihre kurze, helle Bahn.
    «Hast du gesehen?», fragte sie.
    «Ja.»
    «Kannst dir was wünschen.»
    Er schwieg.
    «Was hast du gewünscht?»
    «Ich habe mir gar nichts gewünscht.»
    «Jeder Mensch wünscht sich was.»
    «Die Sternschnuppen, die wir gesehen haben, gehören zu den Leoniden, sind Bruchstücke des Kometen Tempel-Tuttle, dessen Bahn die Erde jedes Jahr um diese Zeit kreuzt. Warum sollte irgendein Ereignis, das man herbeisehnt oder eben nicht herbeisehnt, davon beeinflusst werden?»
    «Immerhin, wir reden darüber, über die

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