Bis zum Hals
persönlich daran zu erinnern, sobald Sie das nächste Mal in Schwierigkeiten mit meiner Behörde geraten.«
Nicht »falls«, sondern »sobald«. Als wäre es nur eine Frage der Zeit. Und wir beide wussten, dass er mit dieser Einschätzung richtig lag.
»Nun zu etwas anderem«, fuhr er fort. »Die Delegation, von der ich Ihnen erzählt habe, die vom russischen Konsulat, die hat inzwischen beim Polizeipräsidenten vorgesprochen. Der konnte denen auch nichts anderes sagen, als dass aufgrund Ihrer Aussage der Fall noch nicht als abgeschlossen erklärt werden kann. Nun sind die Herrschaften auf dem Weg zum Staatsminister des Inneren, soviel ich weiß. Das Ganze entwickelt sich zu einem Politikum, Kryszinski, und wie sich das auf meine Karriere und damit auf meine Haltung Ihnen gegenüber auswirken kann, brauche ich Ihnen wohl nicht zu schildern.«
»Zwei Typen, wahrscheinlich Russen, haben mir sogar Geld geboten, wenn ich meine Aussage zurückziehe.«
»Warum haben Sie es nicht angenommen?« Menden klang, als wäre er am Rande seiner Geduld. »Mit dem Geld hätten Sie sich mühelos einen Führerschein in Tschechien kaufen können, und wir alle wären frei, uns wieder in Ruhe auf unsere Arbeit zu konzentrieren.«
»Wann werden Sie endlich begreifen, dass es mir hier nicht um meinen blöden Lappen geht?«
Irgendwo über uns ging ein Fenster auf und eine verhalten angepisste Stimme fragte, ob es nicht auch ein wenig leiser ginge.
»Diese Typen wollen nicht nur die Leiche. Sie wollen die Witwe.«
»Ah, die Witwe. Ihre mysteriöse Auftraggeberin. Die außer Ihnen noch niemand zu Gesicht bekommen hat.«
»Deren Existenz aber ausgerechnet Sie schon überall hinausposaunen.«
»Was heißt hier hinausposaunen? Ich habe mittlerweile gleich drei übergeordneten Stellen Berichte abzuliefern!«
Scheinbar aus dem Nichts heraus ging ein Wasserschwall zwischen uns nieder. Ein Fensterflügel klappte zu.
»Dann fragen Sie sich doch mal, warum die Russen so ein Tamtam machen. Warum wollen die die Leiche unbedingt in die Finger kriegen? Was genau soll da vertuscht werden?«
Menden sagte nichts dazu.
»Der Tote war Geschäftsmann im weitesten Sinne. Unter den abgespeicherten Rufnummern in seinem Handy ist auch die des Düsseldorfer Konsulats.«
»Handy? Was für ein Handy? Kryszinski, wenn Sie mir Fakten vorenthalten …«
»Hat Dimitrij Jalnikow möglicherweise mit denen Geschäfte gemacht? Illegale Geschäfte?«
»Wo ist das Handy, Kryszinski?«
»Bei seiner Witwe. Was will das Konsulat vertuschen? Was sollen die deutschen Behörden nicht herausbekommen?«
Menden schnaubte. »Sie steigern sich da in etwas hinein, Kryszinski. Kann es sein, dass Sie unter den Einfluss dieser Frau geraten sind, wenn es sie tatsächlich gibt? Was wissen Sie über sie? Ein einziger vollständiger Satz als Antwort genügt. Also?«
Also, tja … Hm. Als Heiner Sültenfuß vor ein paar Jahren seinen neuen Elektromagneten gekriegt hat, musste er ihn mir sofort vorführen. Hat ihn am Kran über einen schrottreifen Benz geschwenkt und eingeschaltet, und der Wagen ist daraufhin mit einem regelrechten Hechtsprung in die Höhe, um sein Dach unter den Magnetteller zu schmiegen.
Diese Anziehungskraft, sie ist nichts im Vergleich zu der, die ich spüre, wenn Anoushka ihre Augen auf mich richtet.
Das hätte ich Menden gerne gesagt, unterließ es dann aber aus Gründen vermuteter mangelnder Begeisterungsfähigkeit des Hauptkommissars für lyrisch angehauchte Schrottplatz-Allegorien.
»Ich erwarte Sie beide heute Vormittag bei mir im Präsidium«, ließ Menden mich wissen.
Der Mercedes ist damals geradewegs in den Schredder gewandert, erinnerte ich mich dann noch nebenbei, als von irgendwoher die Melodie eines Whitney-Houston-Hits zu zirpen begann, und ich brauchte einen Moment, bis ich realisierte, dass das aus meiner Hosentasche kam. Scuzzis Handy, natürlich.
Toll, dachte ich und fummelte es hervor, entschlossen, den Anruf sofort wegzudrücken, sollte es einer von seinen Kunden sein. Das fehlte noch, hier direkt unter Mendens Augen und Ohren Verhandlungen über eine Unze Koks oder ein Pfund Gras oder sonst was aus Pierfrancescos reichhaltigem Sortiment zu führen.
Doch es war Anoushka. Sie flüsterte, war kaum zu verstehen. Die Stromversorgung war unterbrochen, der ganze Campingplatz lag im Dunkeln, und sie hatte das Gefühl, jemand umschleiche den Wohnwagen.
Was rät man in solch einer Situation? Halte durch. Schließ die Tür ab. Lass niemanden
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