Bis zum Horizont
machen könnte.«
»Dann feiern wir Thanksgiving.«
Nach dem Essen fuhren wir bei der Videothek vorbei, um uns den nächsten Film auszuleihen, der auf unserer Liste stand. Den Film, der eigentlich dran war, Der dritte Mann mit Joseph Cotten und Orson Welles, hatten sie nicht da, aber Nummer sechsundfünfzig war vorrätig: M*A*S*H .
Als Kind hatte ich nur selten eine Folge der gleichnamigen Fernsehserie verpasst, die ein Ableger des Kinofilm war, aber das Original mit Donald Sutherland und Elliott Gould hatte ich noch nie gesehen.
Es wunderte mich nicht, dass der Film düsterer und bissiger war als die Fernsehserie. Außerdem hatte er einen antireligiösen Unterton, der ungefähr so dezent war wie ein Mankini.
Etwa in der Mitte des Films gibt es eine Szene, in der Waldowski, der Armeezahnarzt, beschließt, Selbstmord zu begehen.
Wie zu erwarten, machen sich Hawkeye und Trapper John darüber lustig und bieten Waldowski die »schwarze Pille« an, die in Wirklichkeit harmlos ist, von der Waldowski aber glaubt, dass sie zum plötzlichen Tod führt. Auf dem Höhepunkt der Szene – einer Parodie auf da Vincis Abendmahl – versammelt sich die Gruppe zu Waldowskis Tod, und ein Soldat singt den Titelsong des Films: »Suicide Is Painless.«
Meine eigenen Betrachtungen über das Leben und den Tod in der letzten Zeit sorgten dafür, dass mir bei diesem Teil des Films etwas unbehaglich wurde. Ich warf einen Blick auf Engel, um zu sehen, ob sie die Szene witzig fand. Zu meiner Überraschung weinte sie.
Auf einmal begriff ich, was los war. Wie hatte ich das Offensichtliche nur übersehen können?
Sechzehntes Kapitel
Wenn der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist, dann habe ich heute ein gutes Stück asphaltiert. Ich glaube, ich habe genug Schaden angerichtet. Es ist Zeit für mich, zu gehen.
Alan Christoffersens Tagebuch
Die klassischen Anzeichen eines Selbstmords waren alle da, sie stachen einem ins Auge wie ein Casinoschild in Las Vegas: der nicht verlängerte Mietvertrag und die Kündigung des Kabelfernsehens, ihre stille, anhaltende Traurigkeit, ihre erklärte Hoffnung auf Vergessen, die Abtretung ihrer Besitztümer an andere. Ich dachte an die Saphir-Halskette, die sie Norma im Krankenhaus schenken wollte. Ihre Absichten waren offensichtlich – was ich nicht wusste, war, warum .
Als der Film zu Ende war und der Abspann über den Bildschirm flimmerte, machte Engel das Licht an und stand auf. »Reif fürs Bett?«, fragte sie.
»Ich würde gern mit dir reden«, sagte ich.
Der Ernst meines Tonfalls entging ihr nicht. Sie sah mich nervös an. »Es ist schon recht spät.«
»Es ist wichtig.«
Sie sah mich einen Augenblick an, dann setzte sie sich aufs Sofa. »Okay«, sagte sie, während sie die Finger ineinander verhakte. »Worüber willst du denn mit mir reden?«
Ich rutschte näher zu ihr hinüber und legte meine Hand auf ihre. »Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll, daher werde ich einfach sagen, was mir durch den Kopf geht. Zunächst einmal sollst du wissen, dass du mir sehr viel bedeutest. Ich bin dir wirklich dankbar für alles, was du getan hast, um mir zu helfen.«
»Du bedeutest mir auch viel«, sagte sie. Sie sah beunruhigt aus.
»Das habe ich gemerkt. Du warst sehr gut zu mir. Aber ich weiß auch, dass irgendetwas nicht stimmt.«
»Ich weiß, es sieht so aus, aber es ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Wirklich. Ich war in letzter Zeit emotional nur ein bisschen aus dem Lot.«
»Engel, es ist mehr als das.« Ich sah ihr in die Augen, dann atmete ich langsam aus. »Bitte sei ehrlich zu mir. Wer ist Nicole?«
Sie sah mich ungläubig an. »Ich habe dich doch gebeten, dich aus meinen Angelegenheiten herauszuhalten«, sagte sie scharf.
»Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht ehrlich zu mir bist. Hat diese Nicole irgendetwas damit zu tun, dass du so traurig bist?«
»Du hast keine Ahnung, was du da fragst.«
»Da hast du recht, das habe ich nicht. Aber ich würde es gerne wissen. Ich will dir helfen. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb uns das Schicksal zusammengeführt hat.«
Ihre Miene verfinsterte sich. »Wir wurden nicht zusammengeführt . Es gibt kein Schicksal. Es gibt keinen Gott. Es gibt nur Chaos und Zufall. Es ist nur ein Zufall, dass du hier bist.«
»Ich bin hier, weil ich angehalten habe, um dir zu helfen, und weil du wusstest, dass du mir vertrauen konntest.«
Sie begann zu weinen.
»Ich weiß, warum du zurück nach Spokane gekommen bist«, sagte
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