Bis zum Horizont
dass es nicht einmal eine echte Tanne ist.«
»Eine falsche Tanne zu stehlen«, bemerkte Nicole, »das ist, als ob man einen Diamantring stiehlt und dann herausfindet, dass es nur ein Zirkonia ist.«
»Genauso ist es«, sagte ich.
Wir prusteten beide los. Dann fuhren wir zurück zu dem Händler, um einen neuen Baum zu kaufen. Max gewährte uns für unseren zweiten Baum seinen »Friends & Family«-Rabatt von zehn Prozent.
Wir schmückten den Baum noch am selben Abend. Als wir fertig waren, holte Nicole den silbernen Bilderrahmen. Nun war ein Foto darin, das ihren lächelnden Sohn zeigte. Sie stellte das Bild auf den Fernseher.
»Er ist ein hübscher Junge«, sagte ich.
Sie lächelte traurig. »Willkommen zurück, mein Sohn.«
Einundzwanzigstes Kapitel
Es kann keine Freude ohne Dankbarkeit geben.
Alan Christoffersens Tagebuch
Am nächsten Morgen klopfte Nicole an meine Tür. Sie wartete nicht auf meine Antwort, sondern trat gleich darauf ein. »Guten Morgen.«
»Frohes Thanksgiving«, sagte ich.
»Dir auch ein frohes Thanksgiving. Ich habe mich auf der Arbeit wieder krankgemeldet.«
»Und was haben sie dazu gesagt?«
»Meine Chefin war nicht allzu glücklich. Ich glaube nicht, dass sie es mir abgenommen hat.«
»Hast du versucht, krank zu klingen?«
»Habe ich. Aber darin bin ich nicht besonders gut. Ich frage mich, ob sie mich feuern wird.«
»Ich finde, du solltest dort einfach aufhören.«
»Warum? Es ist eine wichtige Arbeit.«
»Schon. Aber sie deprimiert dich.«
»Da hast du recht, aber ich kann nicht einfach aufhören. Ich brauche das Geld. Außerdem, was kann man mit einem Studium der Filmwissenschaft schon groß anfangen? Ich korrigiere, mit einem nicht abgeschlossenen Studium der Filmwissenschaft?«
»Du könntest einen Job in einem Kino bekommen. Du könntest zum Beispiel Popcorn verkaufen.«
Sie gab mir einen scherzhaften Klaps. »Mit dem, was ich da verdiene, kann ich meine Rechnungen bestimmt bezahlen.«
»Wir müssen nur einen Job mit ein bisschen mehr positiver Energie für dich finden.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Wir haben heute viel zu kochen. Wann sollen wir den Truthahn in den Ofen schieben?«
»Acht Pfund, richtig?«
»Ja.«
»Dann braucht er gut drei Stunden. Ich würde dreieinhalb bis vier einplanen, für alle Fälle.«
»Das heißt, er muss jetzt in den Ofen«, sagte ich. »Na dann, an die Arbeit.« Ich kletterte aus dem Bett.
Nicole wollte Parker-House-Brötchen backen und machte sich an die Arbeit. »Wolltest du dir heute Abend wieder einen Film ansehen?«, fragte sie.
»Ja.«
»Wirst du mir jetzt sagen, was du ausgeliehen hast?«
»Das Leben ist schön …«
»Gut. Ein Weihnachtsklassiker. Warum dann die Geheimnistuerei?«
»… und Citizen Kane .«
Ihr Lächeln verschwand, und sie hörte auf, den Teig zu kneten. »Wieso ausgerechnet den?«
»Du hast Monate damit zugebracht, einen exakten Zeitplan aufzustellen, und den will ich sprengen.«
Sie sah mich einen Augenblick lang an, dann wandte sie sich wieder ihren Brötchen zu. »Du bist sehr weise«, sagte sie.
»Das glaube ich auch«, sagte ich.
Sie warf mit einer Handvoll Mehl nach mir.
Bill, der Vermieter, kam früh (sein Old Spice kam noch ein paar Sekunden früher). Er stand schon kurz vor Mittag vor unserer Tür. Er hatte sich herausgeputzt, als wollte er zur Kirche gehen. Er trug einen Hut, Hosenträger und eine rot getupfte Fliege. Er hatte eine Schachtel Walnuss-Karamellbonbons und eine Flasche Cold Duck mitgebracht.
»Danke für die Einladung«, sagte er zu Nicole. Er nahm den Hut ab und trat ein. »Ich wünschte, Sie würden sich das mit dem Umzug noch einmal überlegen.« Er wandte sich an mich. »Engel war meine beste Mieterin.«
»Ich habe mich entschieden, zu bleiben«, sagte sie. »Bringen Sie mir einfach einen neuen Vertrag vorbei.«
»Einen neuen Vertrag fürs Leben«, sagte er.
Sie grinste. »So könnte man sagen. Und Sie können mich Nicole nennen.«
Er lächelte. »Sehr gern.«
»Wir sind noch beim Kochen, es dauert also noch ein bisschen«, sagte sie. »Wollen Sie sich so lange vielleicht im Fernsehen ein Footballspiel ansehen?«
»Nein, Football interessiert mich nicht so. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern hierbleiben, wo die Action ist.«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte sie.
»Möchten Sie vielleicht einen Eierflip?«, fragte ich.
Er winkte ab. »Das Zeug trinke ich nicht, ich habe eine Laktose-Intoleranz.«
»Noch ein Glas mehr für dich«,
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