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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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sie ihr neugeborenes Baby in einen Müllcontainer geworfen hatte. Ich sagte zu der Angestellten: ›Wollen Sie mir etwa sagen, Gott will Ihnen kein Kind schenken, weil Sie nicht in die Kirche gegangen sind, aber er schenkt dieser Prostituierten ein Kind, damit sie es tötet?‹ Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Dann glaubst du nicht, dass Gott uns bestraft?«
    »Ich weiß nicht, ob er uns bestraft oder nicht. Aber ich glaube nicht an einen Gott, den ich kontrollieren kann«, sagte ich. »Mir scheint, dass er sich eher dafür interessiert, uns zu helfen, als dafür, uns zu verurteilen. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb er, wenn wir in Not sind, dafür sorgt, dass andere Leute unseren Weg kreuzen. Erscheint es dir nicht seltsam, dass jemand, der versteht, was es heißt, alles zu verlieren, ausgerechnet in dem Augenblick, als du ihn am dringendsten brauchtest, bei dir zu Hause landet? Denk mal darüber nach.«
    Nach einer Weile sagte sie: »Doch.«
    »Noch vor sechs Wochen kniete ich mit zwei Fläschchen Schmerzmitteln und einer Flasche Whiskey auf dem Boden, drauf und dran, meinem Leben ein Ende zu setzen. Und jetzt bin ich hier bei dir. Das ist doch etwas Wunderbares.«
    Sie blickte lange Zeit zu Boden und schwieg. Dann sagte sie: »Aber wie soll man leben, wenn man nicht mehr leben will?«
    Wie oft habe ich mich genau dasselbe gefragt? , dachte ich. »Einen Tag nach dem anderen«, sagte ich leise. »Einen Tag nach dem anderen.«
    An jenem Abend aßen wir nichts. Wir verließen nicht einmal die Couch. Ich hielt Nicole, bis sie in meinen Armen einschlief. Ich war noch nicht kräftig genug, um sie zu tragen, daher weckte ich sie und begleitete sie in ihr Zimmer. Ich schlug die Bettdecke zurück, zog ihr die Schuhe aus und steckte sie angezogen ins Bett. Ich küsste sie auf die Stirn und ging dann in mein eigenes Zimmer. Im Bett dachte ich noch einmal über unser Gespräch nach. Ich fragte mich, was Nicole am nächsten Morgen tun würde.

Zwanzigstes Kapitel
    Der erste Schritt einer Reise ist immer der schwerste.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Kurz nach Sonnenaufgang wachte ich auf. Ich blieb liegen und dachte noch einmal über den vergangenen Abend nach. Plötzlich klopfte es an der Tür. »Herein«, sagte ich.
    Nicole trat ein. Sie trug einen Morgenmantel, und ihr Haar war zerzaust.
    »Ich habe in meinen Kleidern geschlafen«, sagte sie, während sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. »Aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut geschlafen habe.« Sie sah mich an, in ihrem Blick lag große Dankbarkeit. »Danke für gestern Abend.«
    »Keine Ursache.«
    Sie setzte sich ans Fußende meines Bettes.
    »Gehst du heute arbeiten?«, fragte ich.
    »Nein, ich habe mich krankgemeldet.« Sie holte tief Luft. »Ich muss dich um einen großen Gefallen bitten.«
    »Was immer du möchtest.«
    »Hilfst du mir, noch einmal ganz von vorn anzufangen?«
    Ich lächelte. »Auf jeden Fall.«
    »Wo soll ich anfangen?«
    »Wir fangen damit an, dass wir Nicole zurückholen.«
    Sie dachte kurz nach. Dann holte sie einmal tief Luft und streckte die Hand aus. »Mein Name ist Nicole Mitchell. Freut mich, dich kennenzulernen.«
    »Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, Nicole«, sagte ich. »Nicole braucht eine anständige Coming-out-Party. Ich würde sagen, wir fangen an Thanksgiving an.«
    »Thanksgiving ist morgen.«
    »Dann müssen wir ein paar Leute finden, die noch nichts anderes vorhaben. Kennst du irgendjemanden, der dieses Jahr an Thanksgiving vielleicht allein ist?«
    Sie dachte einen Augenblick darüber nach. »Bill«, sagte sie. »Mein Vermieter.«
    »Was ist mit Christine, deiner Nachbarin?«
    »Wir können sie fragen«, sagte sie.
    »Es gibt noch etwas, das Nicole tun muss«, sagte ich. Ich sah sie ernst an. »Es wird nicht leicht sein.«
    Sie holte einmal tief Luft und machte sich auf das gefasst, was ich sagen würde.
    »Nicole hatte einen Sohn. Einen Sohn, den sie sehr geliebt hat. Aiden muss auch zurückkommen.«
    Ihre Augen wurden feucht. »Wie soll ich das anstellen?«
    »Rede über ihn. Stell Bilder von ihm auf.«
    Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. »Okay.«
    Ich sah sie einen Augenblick an, dann sagte ich: »Willkommen zurück, Nicole.«
    Sie drückte meine Hand. Dann stand sie auf. »Ich sollte mir besser etwas anziehen. Wir haben noch viel zu tun.«
    Eine halbe Stunde später saßen Nicole und ich am Küchentisch, um unsere Einkaufsliste aufzustellen. Ich hielt den

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