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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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nehme einen Zug und wende mich ab, während sie das Trikot überstreift.
    Sie hat Recht. Ich hatte meine Chance.
    Das Beste, was die Bronx zu bieten hat. Und ich habe es ausgeschlagen.
    Also.
    Dann mal auf ins Gefecht.
     
    Ich stehe am Fuße der Macombs Dam Bridge, lehne an einem der Brückenpfeiler im Tudorstil, rauche und betrachte die Drehbrücke, die zur Insel führt. Manhattan ist nur sechshundert Meter entfernt.
    Esperanza beobachtet mich.
    – Sicher kommt gleich ein Taxi.
    – Das wird nicht anhalten.
    – Warum nicht?
    – Was glaubst du? Weil ich weiß bin natürlich. Die denken, ich bin ein Cop, der sie wegen fehlender Taxilizenz hochgehen lassen will.
    – Soll ich dir eins anhalten?
    Ich schnippe meine Kippe über das Brückengeländer. Der Wind, der vom Harlem River herüberweht, nimmt sie mit sich und lässt sie taumelnd davonsegeln.
    – Ich geh zu Fuß.
    Ich nehme das Geld, das Predo mir gegeben hat, aus der Tasche.
    – Wie viel?
    Sie zuckt mit den Schultern.
    – Der Typ, den ich angerufen habe, will ein paar Scheine.
    Ich zähle zweihundert Dollar ab.
    – Und du?
    Sie deutet über den Fluss zum FDR Drive.
    – Diese Straße da, die nur ein paar Blocks lang ist. Weißt du, wie man sie nennt?
    Ich sehe hinüber.
    – Keine Ahnung.
    – Das ist der 369th Harlem Hellfighter’s Drive. Benannt nach dem ersten rein schwarzen Regiment, das im Ersten Weltkrieg zum Einsatz gekommen ist. Lag einhunderteinundneunzig Tage lang unter Beschuss. Hat fünfzehnhundert Männer verloren. Ein Typ namens Private Henry Lincoln Johnson und sein Kumpel Private Needham Roberts haben vierundzwanzig Deutsche erledigt. Nur die beiden. Als Roberts angeschossen wurde, hielt Johnson die Krauts allein mit seinem Bolo-Messer und dem Gewehrkolben in Schach.
    Sie dreht sich um und schaut zur Bronx hinüber.
    – Johnson wurde das Croix de Guerre verliehen. Als erstem Amerikaner überhaupt.
    Sie blickt mich an.
    – Gut, wenn man sich darauf verlassen kann, dass jemand einem den Rücken freihält, wenn’s hart auf hart kommt.
    Sie spuckt über das Geländer.
    – Ich mach dir einen Vorschlag. Du bist mir einfach einen Gefallen schuldig. Und wenn ich mal jemanden brauche, der mir den Rücken freihält, melde ich mich.
    Ich falte die Geldscheine zusammen.
    – Na ja, ich kann dir allerdings keine Garantie geben, dass ich so lange überlebe.
    – Das Risiko geh ich ein.
    Ich stecke die Scheine wieder ein.
    – Wenn du darauf bestehst.
    – Ja, ich bestehe darauf.
    Sie läuft rückwärts, entfernt sich vom Brückenaufgang.
    – Der Typ hat gesagt, dass die Brücke sicher wäre. Keine Späher in der Nähe. Nimm dir auf der anderen Seite ein Taxi und halt dich vom Marcus Garvey Park fern. Auf dem Malcolm X Boulevard ist die Luft bis zur 110th rein. Sobald du Koalitionsgebiet betrittst, bist du auf dich allein gestellt. Aber solange du in einem Taxi sitzt, werden sie dich wohl kaum bemerken.
    Ich hebe die Hand.
    – Versuch, am Leben zu bleiben.
    Sie hebt die Hand.
    – Ich werd’s versuchen.
    Sie dreht sich um, geht ein paar Schritte und blickt noch mal über die Schulter zurück.
    – Joe.
    – Ja?
    – Ein kleiner Tipp noch.
    – Ja?
    Sie deutet auf meine Hose.
    – Zieh dir was anderes an. Das steht dir überhaupt nicht.
    Dann verfällt sie in einen leichten Trab, läuft locker und leicht, bis sie sich über das Geländer schwingt und im Macombs Park verschwindet.
    Ich stecke mir eine Zigarette in den Mund und marschiere über die Brücke.
    Der Sommerwind trägt den Rauch flussabwärts. Ein paar Autos rollen vorbei und bringen die Brücke zum Vibrieren. Ich schlage gegen einen der Pfeiler, und er tönt wie eine tiefe Glocke. Als ich etwa auf der Hälfte angelangt bin, merke ich, wie sich meine Schritte beschleunigen. Ich muss mich dazu zwingen, langsamer zu gehen.
    Bin ich außer Atem?
    Ja.
    Ich komme an dem kleinen Steinhäuschen vorbei, in dem normalerweise der Typ sitzt, der die Drehbrücke bedient. Ich laufe weiter nach Westen, blicke nach unten und bemerke, dass dort bereits Land ist und der Fluss hinter mir liegt.
    Ich überquere den Hellfighter’s Drive und betrete die Insel. Dabei spiele ich die ganze Zeit mit dem Rasiermesser in meiner Tasche.
    An der Kreuzung Adam Clayton Powell Junior und 53rd hebe ich die Hand und stelle mich einem entgegenkommenden Taxi in den Weg, das versucht, mir auszuweichen. Der Fahrer wirft einen Blick auf die Farbe meiner Haut und drückt die Türschlösser hinunter. Als ich ihm die Farbe

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