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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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freut mich auch, dich zu sehen.
    Ihre Hand bleibt weiter an der Waffe.
    – Ich hab nichts davon gesagt, dass ich mich freue, Joe.
    – Aber ich versteh mich gut darauf, zwischen den Zeilen zu lesen. Und ich dachte, wenn du gleich nach der Knarre greifst, dann muss das wohl so eine Art Sympathiebekundung sein.
    – Das siehst du völlig falsch, Joe.
    Das Mädchen tritt hinter ihrem Schreibtisch hervor, legt eine Hand auf Selas Arm und reibt ihr mit dem Daumen über eine Vene, die auf einem Muskelstrang pulsiert.
    – Beruhig dich, Sela.
    Sela nimmt die Hand von der Waffe, aber man könnte beim besten Willen nicht sagen, dass sie dabei ist, sich zu beruhigen.
    – Komm diesem Kerl nicht zu nahe.
    Das Mädchen geht auf mich zu.
    – Sei nicht albern, das ist Joe. Was glaubst du, hat er vor? Mich umbringen?
    Sie kommt näher.
    – Das würde er nie tun. Er würde mir nie wehtun.
    Sie lächelt.
    – Na ja, vielleicht einmal . Da hat er mir eine Ohrfeige verpasst.
    Sie verzieht das Gesicht.
    – Aber da war ich auch voll ungezogen. Hab ihm viel Stress gemacht.
    Sie bleibt vor mir stehen.
    – Also, Joe. Was sagst du?
    Sie dreht sich einmal um die eigene Achse, führt mir die Bluse mit den Manschettenknöpfen, die Anzugweste und die teure Frisur vor.
    – Gefall ich dir?
    Ich nehme die Sonnenbrille ab und zeige ihr das Narbengewebe dahinter.
    – Keine Ahnung. Müsste ich mir genauer ansehen.
    Sie klatscht in die Hände, schlingt die Arme um mich, vergräbt ihr Gesicht an meiner Brust und atmet tief ein.
    – Oh, Joe. Du weißt genau, was du sagen musst, damit ich mich sicher fühle.
    Ich stehe einfach da. Sie hat ihre Arme um mich gelegt, während meine an der Seite herunterhängen. Ich schaue rüber zu Sela.
    Sie schüttelt den Kopf.
    – Unsere Kleine ist eben was Besonderes, oder, Joe?
     
    – Allein die Logistik ist ein Alptraum. Weißt du, es ist eine Sache, zu verkünden, dass wir einen neuen Clan aufmachen, jeden aufnehmen, der mitmachen will, alle mit Blut versorgen und ihnen dann das Heilmittel geben, sobald ich es entwickelt habe.
    Sie deutet auf die beiden Flachbildschirme und die Papierstapel auf ihrem Schreibtisch.
    – Aber das auch wirklich durchzuziehen, ist eine ganz andere Sache.
    Sie lässt sich in ihren Ledersessel fallen, stemmt einen Fuß auf den Boden und dreht sich langsam hin und her.
    – Versteh mich nicht falsch. Ich bereue gar nichts . Ich bin jung. Ich hab Energie. Gott weiß, ich bin schlau genug, um das alles hier zu regeln, aber in Wahrheit ist es viel schwieriger, als ich gedacht habe.
    Sie hört auf, sich zu drehen, springt vom Sessel auf, umrundet den Schreibtisch und hebt wahllos Papierseiten auf.
    – Ich hab den Bedarf völlig unterschätzt. Die Zahlen ergeben überhaupt keinen Sinn. Es gibt doch nur ein paar tausend Infizierte in Manhattan, oder? Warum sollten die, die zu einem Clan gehören, das Risiko eingehen und sich uns anschließen? Wir haben mit den Unabhängigen gerechnet, und wie viele gibt’s von denen schon? Bei einem begrenzten Nahrungsangebot sagt einem doch der gesunde Menschenverstand, dass Raubtiere, die nicht im Rudel jagen, bald von selbst zugrunde gehen. Wir dachten an höchstens ein Dutzend Unabhängige und genauso viele Clanmitglieder, die dieses Risiko auf sich nehmen, weil sie an ein Heilmittel glauben. Und dann noch ein paar von außerhalb der Insel, die es irgendwie hier rüberschaffen.
    Sie wedelt mit einem Blatt herum.
    – Jetzt, in unserem ersten Jahr, haben wir mit maximal achtzig Mitgliedern gerechnet. Und uns auf hundert vorbereitet. Um auf der sicheren Seite zu sein.
    Sie knüllt das Papier zusammen und wirft es auf den Perserteppich unter ihren Füßen.
    – Zweihunderteinundsechzig.
    Sie schüttelt den Kopf.
    – Ich meine, heilige Scheiße. Allein die Renovierung . Am Anfang war es schon nicht leicht. Man kauft ein Haus, schmiert die richtigen Leute, besticht die Korinthenkacker vom Nachbarschaftskomitee. Als die Bauarbeiten losgingen, hatten die Leute auf der Straße keinen Schimmer, was hier wirklich abgeht. Die Zimmer waren wirklich toll. Und aufwendig. Kein IKEA-Scheiß, echt schöne Betten und Möbel. Jeder Raum hatte seinen eigenen Charakter . Wie in einem Designerhotel. Die Arbeiter dachten jedenfalls, sie würden eins bauen.
    Sie geht zur Tür, öffnet sie und deutet ins Vorzimmer.
    – Und jetzt? Hast du das gesehen? Sie liegen in den Gängen. Auf den Treppen. Wie soll ich nur jemanden finden, der die Wände rausreißt und den ersten

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