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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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mitkriegst, in welche Richtung ich gehe. Keine Angst, ich will dir nicht den Kiefer brechen oder die Zähne ausschlagen. Ich will dich nur ein bisschen schlafen schicken.
    Ich klappe das Rasiermesser zu.
    Er wischt sich über den Mund.
    – Himmel, Joe. Ich könnte doch einfach die Augen zumachen.
    Ich schnippe meine Kippe weg.
    – Halt deine beschissene Klappe, Phil. Du kommst sowieso viel zu gut dabei weg.
    Er bedeckt die Augen mit den Händen.
    – Wenn du meinst. Bringen wir’s hinter uns.
    Ich balle die Hand zur Faust.
    – Hey, Phil, ist das da drüben nicht dein Dealer?
    Er nimmt die Hände weg.
    – Wo, wo?
    Ich treffe ihn mitten ins Gesicht, breche ihm den Kiefer und schlage ihm ein paar Zähne aus. Er geht zu Boden.
    Ich wische das Blut von meinen Fingern, stelle mich mitten auf die Straße und blicke mich um. Als ich entdecke, wonach ich gesucht habe, gehe ich darauf zu.
    Ich zwinge mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen; ich kämpfe gegen die Kraft an, die mich in dieses Gebäude hinter mir zurückzieht und eine Wunde in mir immer weiter aufreißt, je mehr ich mich davon entferne.
    So ist das Leben. Wir alle haben eins, und ob man es aufs Spiel setzt oder nicht, geht niemanden was an.
    Sie hat gesagt, sie weiß nicht, wer ich bin.
    Tja, da kann ich ihr auch nicht helfen.
    Ich weiß nur, dass diese Wunde schmerzt, wer auch immer ich sein mag.
    Ich hätte ihr mehr erzählen können. Wo ich war. Wer mich zu dem gemacht hat, der ich bin. Wie ich als Kind war. Aus welcher Schule ich geflogen bin. Meinen ganzen Lebenslauf.
    Hätte ich unsere gemeinsamen Jahre rekapitulieren sollen? Ihr erzählen sollen, was ich wann gedacht habe? Warum ich ihr diese Lügen aufgetischt habe? Was ich dabei durchgemacht habe? Was ich damit erreichen wollte, und welche Hoffnungen ich hatte?
    Reine Zeitverschwendung. Alles Lügen.
    Das Fazit?
    Wenn man was haben will, muss man den Preis dafür zahlen.
    Darauf läuft es letzten Endes hinaus. Da drin ist sie sicherer als hier draußen.
    Da drin hat sie Leute, die ihr den Rücken freihalten. Hier draußen hat sie nur mich. Sobald Predo spitzkriegt, weshalb ich hier bin, wird er sie finden. Er wird sie riechen wie ein Hai im Wasser Blut wittert und sie dann jagen.
    Und ich werde ihn nicht aufhalten können.
    Da drin ist sie sicher. Zumindest etwas sicherer. Hätte ich versucht, sie zu überreden, mit mir abzuhauen, hätte ich sie in eine Situation gebracht, die ich nicht kontrollieren kann.
    Was aber nichts daran ändert, dass es verdammt schmerzt, sie wieder zu verlieren.
    Und diese Wunde wird sich nicht schließen. Weshalb auch?
    Bei einer solchen Wunde ist es am besten, man beschäftigt sich mit was anderem und lenkt sich so von den Schmerzen ab.
    Am Ende der Straße angekommen, knie ich mich hin, schiebe die Finger in die Löcher eines Gullydeckels und hebe ihn hoch.
    Ich starre in das Loch hinunter und denke an das andere Loch.
    Krieg.
    Im Krieg muss man sich auf eine Seite schlagen. Man muss wissen, was man will, sonst gerät man ins Kreuzfeuer.
    Ich rauche, trete eine Flasche in den Rinnstein, spucke aus und rauche weiter.
    Ich werde die Zukunft töten.
    Die Verlorenen retten.
    Mich für eine Seite entscheiden.
    Ich klettere in das Loch. Verstecke mich. Weg von dem, was ich will. Aber immer noch nahe genug dran. Nahe genug, um sie zu beschützen.
    Nahe genug, um sie zu spüren.
    Ich lasse meine Liebe zurück, doch ich spüre ihre Kraft.
    Diese Kraft ist unüberwindlich.
    Ganz egal, wer ich bin.

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