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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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vor meinem Gesicht herum.
    – Schließlich hast du nur noch ein Auge, und das kann ich dir jederzeit auskratzen, wenn’s mich packt.
    Ohne mich hätte Sela das Mädchen überhaupt nie getroffen. Ich kenne Sela noch aus der Zeit, als sie ein Punk und eine Transe war und zur Society gehörte. Jetzt steht eine modebewusste, mit Lippenstift verzierte Transe vor mir. Die mir mal das Leben gerettet hat.
    Doch das wird mein Auge nicht retten, wenn sie plötzlich den Drang verspürt, es von ihrer Fingerspitze baumeln zu lassen.
    Jetzt ist Diplomatie angesagt.
    – Geht klar, Sela. Schon verstanden. Die Tatsache, dass sie ihre Energie verbraucht, um ein paar Leuten zu helfen, für die sie nichts weiter als einen Imbiss darstellt, sowie der Umstand, dass sie ein ganzes Gebäude voll mit Typen hat, die ständig ihr Blut riechen können, sagt absolut nichts über ihren Geisteszustand aus. Die Kleine ist völlig normal, ganz klar.
    Sie zieht den Finger wieder ein, ballt ihn mit den übrigen zur Faust, und für einen Augenblick frage ich mich, wie weit mein Kopf wohl fliegen wird, wenn sie ihn mir vom Hals schlägt. Dann lässt sie die Faust sinken.
    – Ja, was das betrifft, hast du wohl Recht. Das ist wirklich ein Problem.
    Sie tritt einen Schritt zurück.
    – Die Leute da unten sind das Problem.
    Sie verschränkt die Arme.
    – Es ist schon schwierig genug, Hamburger für alle ranzuschaffen, aber stell dir erst mal vor, wie es mit Blut aussieht. Geld haben wir genug. Wir wissen nur nicht, wo wir es kaufen sollen. Sie fangen an zu verhungern. Ein paar hat es schon erwischt. Sie sind Amok gelaufen. Ich musste sie beseitigen, und das ist ganz schlecht für die Moral. Ganz schlecht. Und letzte Nacht ging’s richtig rund. Darüber haben wir gerade gesprochen, als du gekommen bist. Letzte Nacht ist einer von uns auf die Jagd gegangen. Nur eine Straße weiter. Praktisch vor unserer Haustür.
    – Schlamperei.
    – Verzweiflung.
    – Zeugen?
    Sie reibt sich den Nacken.
    – Zeugen? Nein. Nein, die Tat selbst hat keiner beobachtet. Aber er hat eine echt gruselig zugerichtete Leiche zurückgelassen. Das bringen sie bestimmt gerade im Fernsehen.
    – Wo ist der Kerl?
    – Hier. Hab ihn im Keller eingesperrt. Wir wissen noch nicht, was wir mit ihm anstellen sollen.
    Ich nehme einen letzten Zug und drücke die Zigarette aus.
    – Bring ihn um.
    – Nein. So läuft das hier nicht. Wir regeln das anders.
    – Na gut. Dann regelt es eben anders. Schlauer wäre es allerdings, ihn umzunieten. Das weißt du genau. Er hat euer kleines Reservat verlassen. Also bring ihn um. Und zwar so, dass es auch jeder mitkriegt.
    – Das hab ich ihr auch gesagt.
    Wir blicken runter zu Amanda. Sie hat inzwischen die Augen wieder geöffnet und richtet sich die Frisur.
    – Weißt du, ich würde ja wirklich gerne Gnade vor Recht ergehen lassen, aber wir sind am Limit. Irgendwie müssen wir die Ordnung aufrechterhalten.
    Sie hält Sela eine Hand hin, und sie hievt sie auf die Beine.
    – Langsam, Baby.
    – Mir geht’s prima . Bin nur etwas unterzuckert.
    – Du bist total erschöpft und an der Grenze zur Unterernährung. So sieht’s aus.
    Amanda befreit ihre Hand aus Selas Griff.
    – Unsinn, mir geht’s prima. Ich brauch jetzt einfach nur einen Smoothie oder so.
    – Du brauchst ein anständiges Essen und etwas Schlaf.
    – Lass das, Sela. Du weißt, ich liebe dich, aber hör auf, mich zu bemuttern, sonst flippe ich noch aus.
    Sie wendet sich mir zu.
    – Ich meine, Joe gerät doch auch nicht gleich in Panik, nur weil’s mir ein bisschen schwindelig wird.
    Sie fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn und lockert dann ihr Haar noch ein wenig auf.
    – Das ist eine von Joes Stärken. Er gerät nie in Panik, oder, Joe? Er weiß, was getan werden muss, und tut’s einfach. Am Ende kommt’s doch nur darauf an, ob man handelt und die Konsequenzen in Kauf nimmt, oder ob man nichts tut und mit ganz anderen Konsequenzen leben muss. Wie zum Beispiel unser Problem hier. Joe umreißt es sofort. Sela, ich weiß, du umreißt es auch, aber Joe umreißt es irgendwie anders . Joe weiß, was für Folgen drohen, wenn wir nicht irgendeine Form von Bestrafung anwenden. Oder, Joe?
    Ich zucke mit den Achseln.
    – Wenn du das sagst.
    Sie ballt die Hände zu Fäusten, stemmt sie unters Kinn und strahlt mich an.
    – Oh, Joe! Ich bin so froh, dass du hier bist. Ich wusste immer, dass du früher oder später kommen würdest, aber der Zeitpunkt ist perfekt. Im Moment

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