Bis Zum Letzten Tropfen
Laser beschossen. So um die fünfzig Megawatt pro Quadratzentimeter. Das klingt jetzt viel schlimmer, als es ist. Daher wissen wir schon ewig, dass man Viren mit UV-Strahlung abtöten kann. Doch dabei mutiert das Virus. Und Mutationen führen über längere Zeit zu Anpassung. Diese Typen haben einfach sichtbare Lichtimpulse benutzt. Und es klappt.
Sie fuchtelt mit ihrer Zigarette herum, was einen unregelmäßigen Rauchkringel erzeugt.
– Es macht das Virus richtig fertig. Zerstört die physische Hülle des Virus, die Kapsel . Das Virus selbst ist im Arsch. Es stirbt.
Ihre großen Augen starren in die Ferne.
– Das Vyrus, dein Vyrus, flippt völlig aus, wenn es mit Sonnenlicht in Berührung kommt. Es mutiert. Aber nicht, um sich anzupassen. Oder wenn doch, dann so, dass wir es nicht mitkriegen, weil alles so schnell geht. Aber vielleicht, vielleicht finden wir eines Tages eine bestimmte Wellenlänge, eine sichtbare Wellenlänge, die die Viruskapsel zerstört. Ich weiß, das ist so dermaßen weit über den Tellerrand gedacht. Aber da das Vyrus uns nicht gerade auf dem Präsentierteller serviert wird, müssen wir so vorgehen, verstehst du?
Sie starrt weiter vor sich hin, irgendwo in weite Fernen.
– Das ist echt scheißcool.
Sie nimmt einen tiefen Zug.
– Ich bin, na ja, ein Pionier . Keine Regel gilt mehr, man kann alles ausprobieren. Alles. Es gibt keine Grenzen. Und ja, die Computermodelle. Das ist das Gute, wenn man so viele Leute hier hat. Man hat einen großen Vorrat an verschiedenen Proben. Weil das Vyrus mutiert. Radikal. Von Person zu Person. Wir haben ein paar Leute hier, die andere infiziert haben. Es ist derselbe Stamm, aber wenn er den Wirt wechselt, mutiert er. In gewissen Grenzen. Glaube ich zumindest. Also nehmen wir Proben. Aber, wie gesagt, das Vyrus ist voll das Weichei, und wenn man nicht aufpasst, kratzt einem das Versuchsobjekt ab. Einfach so. Doch wenn man vorsichtig ist, dann kann man auch die Mutation beobachten. Wir haben schon eine ganze Datenbank mit Mutationen. Wir kennen die Tricks des Vyrus. Wo es sich versteckt . Wie es sich verteidigt . Vielleicht finden wir raus, wieso manche Infizierte so viel stärker werden und andere weniger. Oder warum ihre Wunden heilen . Manche Stämme weisen Mutationen auf, die das Zellwachstum beschleunigen. Aber nicht alle.
Ihre Augen verdrehen sich und werden glasig. Und als wäre sie eine Marionette, der man die Schnüre durchgeschnitten hat, stürzt sie zu Boden.
Sela erreicht sie vor mir, tastet nach ihrem Puls, nimmt die brennende Zigarette aus ihren Fingern und drückt sie in einem Aschenbecher auf dem Schreibtisch aus.
Ich beobachte sie dabei, wie sie Amanda einige perfekt geschnittene Haarsträhnen aus der Stirn wischt.
– Ist sie okay?
Ohne mich eines Blickes zu würdigen bettet Sela den Kopf des Mädchens auf ihren Schoß.
– Sie ist erschöpft.
– Tja, das passiert, wenn man völlig durchgeknallt ist.
Jetzt sieht sie mich an.
– Sie ist nicht durchgeknallt. Sie hat eine Vision.
Sie wendet sich wieder ihrer Geliebten zu.
– Sie ist was ganz Besonderes, Joe.
Ich klopfe eine Zigarette aus der Packung.
– Ja, ganz besonders irre.
Ich werfe das Streichholz in den Aschenbecher, bemerke, dass Amandas Nelkenzigarette noch glimmt und drücke sie aus.
– Ihre Eltern waren verrückt, und sie haben sie verrückt gemacht. Sie hat mehr Geld und Grips als gut für sie ist. Sie hat zu viel abgefahrenen Scheiß gesehen, das hat sie durchknallen lassen. Sie ist nicht normal. Sie hat sie nicht mehr alle. Sie ist verrückt.
Sela legt eine Hand auf die Stirn des Mädchens.
– Aber du hältst dich wohl für normal, Joe?
Ich nehme einen Zug.
Sela schaut zu mir hoch.
– Dachte ich mir.
Sie windet sich vorsichtig unter dem Mädchen hervor und steht auf.
– Sie arbeitet härter als alle anderen. Sie ist unermüdlich. Entweder ist sie hier im Büro oder im Labor. Von dreißig Stunden schläft sie vielleicht zwei. Sie gibt nicht auf. Sie nimmt jeden auf, der hier reingeschneit kommt. Ohne Ausnahme.
– Ich sag ja, durchgeknallt.
Sie kommt auf mich zu. Jeder ihrer perfekt definierten Muskeln ist zum Zerreißen gespannt.
– Sie arbeitet ohne Pause, Joe. Für uns. Sie ist nicht infiziert, und trotzdem will sie uns helfen. Sie arbeitet härter daran, uns zu helfen, als wir es selbst tun.
Sie hebt einen Finger und zeigt mir den kurzen, spitzen, roten Nagel an seinem Ende.
– Also pass auf, was du sagst.
Sie fuchtelt mit dem Finger
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