Bis Zum Letzten Tropfen
Schlagring und das Rasiermesser aus der Tasche.
– Brauchst du das Zeug wieder?
Ich nehme die Sachen entgegen.
– Danke. Du weißt ja, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
Ich gehe die Stufen hinunter.
– Du kannst die Tür gleich offen lassen. Lydia und ihre Mädels kommen jeden Moment vorbei.
Er hebt warnend einen Finger.
– Diese Ladies hören’s nicht gern, wenn man sie Mädels nennt.
– Ja, ist mir bekannt. Ist mir bekannt.
– Pass auf dich auf, Joe.
– Danke. Darf ich dir noch einen Rat geben?
– Klar, wieso nicht?
– Du solltest dir die Hose hochkrempeln.
– Wieso das denn?
Ich gehe die Straße runter und ziehe eine Rauchwolke hinter mir her.
– Hab gehört, es soll bald Hochwasser geben. Und da bleibt keiner trocken.
Wie man bekommt, was man will? Indem man dafür sorgt, dass niemand weiß, was man wirklich will.
Jetzt, wo die Welt voller neuer Gefahren ist, und jeder sein Bestes tut, um die letzten Endes unvermeidlichen Zusammenstöße zu vermeiden, gebe ich endlich nach.
Ich überlasse mich der geheimnisvollen Kraft, die mich nach Westen zieht.
Jetzt hab ich endlich Zeit.
Um mir das zu holen, was ich wirklich will.
Auf der Eighth Avenue packt mich allerdings eine andere Art von Schwerkraft, wirft mich zu Boden und schleudert mich in eine Seitenstraße, so dass ich mit dem Rücken zur Wand auf einem Müllhaufen lande.
Sie stürzt sich auf mich, mit mühsam kontrollierter Wut.
Dann hält sie inne und schwebt drohend über meinem Kopf.
Ich huste etwas Blut und spucke es auf seine polierten Schuhe.
– Himmel, Predo. Haben Sie denn momentan nichts Besseres zu tun?
Seine beiden Schläger machen Anstalten, auf mich loszugehen. Doch dann dringt ein Geräusch aus Predos Kehle, das sie am Eingang der Seitenstraße stehen bleiben lässt, neben dem Wagen, aus dem Predo gerade gestürzt ist, um mich zu packen und auf den Müllhaufen zu werfen.
Ich blicke ihn an.
– Haben Sie gerade geknurrt?
Er steht kerzengerade da. Haarsträhnen fallen wirr über seine gesenkte Stirn. Mein Blut tropft von den Knöcheln seiner Faust, die in einem schwarzen Lederhandschuh steckt.
– Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, Pitt. Meine Pflichten und Aufgaben nehmen kein Ende.
Er fletscht die Zähne.
– In einer guten Nacht habe ich eine endlose Liste von Aufgaben vorliegen, die erledigt werden müssen. Und mit jedem folgenden Sonnenuntergang erhalte ich eine neue Liste. Doch jetzt...
Er fährt sich mit dem Finger über die Stirn, schiebt die Haarsträhnen beiseite und hinterlässt einen Blutschmierer auf der Haut.
– ... spielt diese Liste keine Rolle mehr. Sie ist völlig irrelevant. Alle bisherigen Pläne und Maßnahmen zur Durchsetzung der Sicherheit der Koalition wurden über den Haufen geworfen. Es gibt eine dringendere Aufgabe. Kriegsvorbereitungen.
Plötzlich legt er den Kopf in den Nacken und blickt zum Sternenhimmel auf.
– Wissen Sie, was mir die größten Sorgen bereitet, Pitt?
Ich strecke die Hand aus, stütze mich an einem Müllcontainer ab, richte mich auf und versuche rauszufinden, welcher Körperteil am meisten schmerzt.
– Tja, da muss ich leider passen. Ihr Aktienportfolio?
Er deutet zum Himmel.
– Satelliten. Antennen. Drahtlose Datenübertragung.
Er blickt nach unten und deutet auf den Asphalt.
– Glasfaserkabel.
Dann sieht er mich an.
– Diese Fülle an Daten und Informationen um uns herum, die bereitet mir Sorge. Die Leichtigkeit, mit der sie gesammelt und versendet werden können. Doch den größten Kummer machen mir die Handys, Pitt. Und ihre kleinen Kameras.
Er macht einen Schritt auf mich zu. Die Flasche am Boden hat er wohl übersehen. Glassplitter fliegen umher, als er sie zertritt.
– Malen Sie sich einen Krieg zwischen den Clans aus. In dieser Zeit, in der Kinder mit Digitalkameras ihre Kindermädchen dabei fotografieren, wie sie sich einen Schluck aus der Hausbar genehmigen. Wie lange wird es dauern, bis es zum offenen Schlagabtausch zwischen verfeindeten Clanmitgliedern kommt? Stellen Sie sich Fotografien und Videoaufnahmen von einer solchen Begegnung vor. Männer und Frauen mit tödlichen Schusswunden, die trotzdem unverdrossen weiterkämpfen, werden im Internet zu bestaunen sein. In den Fernsehnachrichten. Studienobjekt der Gesetzeshüter und der Militärs.
Er macht noch einen Schritt, wobei er die Glasscherben unter seinen Füßen zu Staub zermalmt.
– Wir stehen am Rand des Abgrunds, Pitt. Wir steuern genau auf die
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