Bis Zum Letzten Tropfen
Autos gestopft werden.
Dann schüttelt es wieder den Kopf.
– Dich zu töten, wäre ein Akt der Gnade. Und Gnade wird es für dich heute Nacht nicht geben.
Es deutet auf das Auto.
– Geh.
Predo weicht zurück, ohne mich aus den Augen zu lassen.
– Eins noch, Pitt.
Er rückt sich die Krawatte zurecht.
– Sie haben mich in Ihre Karten sehen lassen.
Ich bewege mich nicht.
Predo bleibt mit der Hand an der geöffneten Wagentür stehen.
– Ich weiß zwar immer noch nicht, wonach Sie suchen...
Er weist mit einer ausladenden Geste auf die Umgebung.
– Doch ich weiß jetzt, wo es sich befindet.
Er lässt den Arm wieder sinken.
– Sie werden bald tot sein.
Er steigt ein.
– Also machen sie sich lieber rasch auf die Suche nach dem, das Ihnen so viel wert ist. Bevor Sie sterben.
Die Tür schließt sich, der Motor erwacht brummend zum Leben, und der Wagen rollt auf die 8th, ohne dass man ihm das Gewicht der Leichen im Kofferraum auch nur im Geringsten anmerkt.
Ich wende mich an das Skelett.
– Kennen wir uns?
Er hält mir das Rasiermesser hin.
– Wir sind uns schon einmal begegnet, Simon.
Ich nehme ihm das Messer aus der knochigen Hand.
– Na ja, ich war mir nicht so sicher. Ihr Typen seht für mich alle gleich aus.
Ich lasse das Messer in die Tasche gleiten und fische eine Zigarette heraus.
– Aber wenn wir uns schon mal getroffen haben, weißt du sicher auch, dass ich Joe heiße.
Jetzt kommt auch das andere Skelett hinzu. Es ist zwar nicht ganz so klapperdürr wie sein Chef, aber auf dem besten Weg dazu. Im Prinzip bestehen alle Mitglieder der Enklave nur aus Sehnen und Knochen, die von blasser Haut zusammengehalten werden. Kein Wunder, wenn man seine Zeit ausschließlich damit verbringt, sich zu Tode zu hungern.
Der Erste schüttelt den Kopf so heftig, dass ich schon Angst habe, sein dünner Hals bricht ab.
– Diesen Namen hat Daniel dir gegeben, Simon. Also bleibt es bei Simon.
Ich spaziere ein bisschen umher und trete Müll beiseite, bis ich die Pistole wiederfinde.
– Daniel ist tot.
Erneut ertönt sein krächzendes Lachen.
– Wenn du meinst, Simon. Wenn du meinst.
Er deutet auf den Eingang der Gasse.
– Du wirst erwartet.
Es hätte keinen Sinn wegzurennen. Wenn diese Typen es drauf anlegen, können sie mir einfach die Beine ausreißen und mich wegtragen.
Außerdem werden sie mich direkt dahin bringen, wo ich sowieso die ganze Zeit hinwill.
Selbst mit geschlossenen Augen ist es nicht einfach, sich das Schlachthofviertel so vorzustellen, wie es früher mal war. Bevor es zu einer Kotzschüssel wurde für Clubgänger und Leute, die zu viel Geld haben, um irgendwo essen zu gehen, wo man nicht sechs Monate vorher reservieren muss. Früher, als das Pflaster der Straßen noch nicht auf antik getrimmt war, als sich hier noch Transvestiten und minderjährige Nutten herumtrieben und für eine schnelle Nummer in vorbeirollende Limousinen stiegen. Natürlich war die Enklave schon vorher da. Sie hatte sich hier schon eingerichtet, als noch Tierblut durch besagte Straßen lief und weiße Schürzen und Fleischerhaken die angesagte Mode waren.
Immerhin sind die Leute, die darauf warten, in die gerade öffnenden After-Hour-Clubs eingelassen zu werden, ein Haufen dermaßen affig aufgetakelter Poser, dass die ausschließlich weißen Klamotten der Enklave nicht weiter auffallen. Wir laufen die Little West 12th hinunter bis zur letzten Kreuzung vor dem Ufer. Ein paar Raver beobachten uns, wie wir die Treppe zur Verladeplattform hinaufsteigen, wo sich die Schiebetür des Lagerhauses wie von Geisterhand öffnet. Keiner kommt auf die Idee, mal nachzusehen, was in dem Lagerhaus abgeht. Instinktiv spüren sie, dass sie dort nichts zu suchen haben. Es ist kein Ort für sie. Das Fehlen jeglicher Graffiti, die unheimliche, kühle Stille und die wenigen Gerüchte, die darüber kursieren, halten sie davon ab.
An diesem Ort gehen schlimme Dinge vor sich.
Sie spüren es. Daher stehen sie wie brave kleine Roboter Schlange, und wenn sie an der Reihe sind, zeigen sie ihre gefälschten Ausweise vor, damit sie der Türsteher in die bis ins Letzte durchgestyle Großraumdisco lässt, wo sie für die nächsten paar Stunden so tun können, als wären sie ein Haufen durchgeknallter Typen.
Im Lagerhaus der Enklave dagegen tummeln sich die wirklich durchgeknallten Typen.
Über hundert Fanatiker verweigern dem Vyrus das Blut, das es so dringend braucht. Sie treiben ihren Kreislauf an den Punkt, den mir
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