Bis Zum Letzten Tropfen
abgelaufen.
Ich entdecke noch eine Zigarette in der Packung.
– So klingt es also, wenn die Zeit abgelaufen ist? Ding? Ist ja nicht gerade ein dramatischer Höhepunkt.
– Du hättest einfach deine Braut mitnehmen und verschwinden sollen, Mann.
Ich halte die Flamme an die Zigarette.
– Graf.
Ich senke die Stimme.
– Vielleicht solltest du aufhören, solche Scheiße zu reden, bevor du dich noch weiter reinreitest.
Er hält sein Gesicht dicht an meines.
– Du kannst mir nichts, Mann. Jetzt nicht mehr. Ich reiß dir das Herz raus und fresse es, bevor du aufgehört hast zu atmen.
– Klar, kein Zweifel. Aber vorher muss ich dir noch ein Geheimnis verraten.
Ich lege meinen Mund an sein Ohr.
– Das Mädchen da oben. Es liebt mich immer noch.
Ich trete zurück und nicke.
– Kaum zu glauben, oder?
Ich hebe die Hand.
– Na ja, sie hat nicht gerade weiche Knie bekommen, als sie mich gesehen hat, aber zwischen uns funkt’s noch. Das weiß ich genau.
Seine Augen wandern in Richtung Decke.
Ich nehme einen Zug und nicke.
– Genau, jetzt hast du’s kapiert. Wenn du mich umbringst, wird sie kaum weiter stillhalten. Vielleicht beschließt sie dann sogar, dass es der richtige Zeitpunkt ist, um runterzukommen und die ganze Sache ein für alle Mal zu klären.
Wenn er Augenbrauen hätte, würden sie sich jetzt zusammenziehen.
– Soll sie doch. Sie hat ohnehin nur eine Handvoll Leute.
Ich tippe mir gegen die Stirn.
– Bist du sicher?
Wir fixieren uns gegenseitig.
– Ich frage dich: Bist du sicher, dass dir deine Männer wirklich folgen, wenn es hart auf hart kommt? Bist du sicher, dass nicht ein paar von ihnen die Seite wechseln, wenn hier das große Schlachtfest losgeht? Ich mein ja nur – sobald die ersten Knochen brechen, kann keiner sagen, wie die Leute sich entscheiden. Vielleicht solltest du die ganze Sache doch lieber abblasen? Was hast du schon zu verlieren? Daniel war ziemlich lange der Boss hier, oder? Bei ihm ist es nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass unter Enklavemitgliedern Blut vergossen wurde. Was glaubst du, wie lange wird es dauern, bis ernsthafte Zweifel an deinen Führungsqualitäten aufkommen – o Auserwählter? Apropos.
Ich tippe mit dem Finger gegen seine Brust.
– Hab ich dir schon mal erzählt, dass Daniel immer angedeutet hat, dass ich eigentlich derjenige bin, der seine Nachfolge antreten soll?
Ich blicke zu den Enklavejüngern in den Schatten hinüber.
– Manche von diesen Typen wissen das auch. Also, pass auf, ich mach dir einen Vorschlag.
Ich deute auf die Treppe.
– Ich bleibe einfach hier. Ist doch ganz gemütlich. Ich und sie da oben, du hier unten.
Ich lasse meine Kippe auf den Boden zwischen unseren Füßen fallen.
– Oder soll ich doch lieber abhauen?
Ich trete die Kippe unter meinem Stiefel aus.
– Bevor du dich noch vor deinen Leuten lächerlich machst, indem du mit leeren Drohungen um dich wirfst.
Ich drehe mich um und gehe in Richtung Tür.
– Pass auf den Anzug auf, Graf. Kleider machen Leute.
Er folgt mir.
– Holla, bleib mal stehen, harter Mann. Du hast hier bestimmt nicht das letzte Wort.
Er hebt einen Arm und dreht ihn in der Luft über seinem Kopf.
– Das hier ist mein Haus. Da gibt es Regeln. Und eine Regel hast du wohl noch nicht ganz verstanden.
Er hebt die Stimme. Die Sparringsgeräusche verstummen, und seine Worte hallen durch den Raum.
– Okay, du willst nicht bleiben und mein Partner werden. Schon verstanden. Du hast keine Lust, meine Armee anzuführen, wenn wir in den Krieg ziehen. Gut. Kurz gesagt: Du willst mir einfach nicht helfen. Okay. Cool. Ich will nicht behaupten, dass mich das überrascht. Ich dachte eher, dass du nur dein Mädchen abholen willst; aber vielleicht hat sie sich ja verändert und du stehst nicht mehr so auf sie, auch recht. Trotzdem kannst du nicht einfach hier rausspazieren. Entweder gehörst du zur Enklave oder nicht. Entweder bist du für uns oder gegen uns. Der Tag der offenen Tür ist vorbei. Du hast hier keinen freien Zugang mehr. Solltest du wirklich zu unserem Verein gehören, dann hast du gefälligst auch zu tun, was ich sage, verstanden?
Ich bin an der Tür.
Sein Arm versperrt mir den Weg.
– Wir haben dich schon einmal verstoßen und in die Kanalisation geschmissen. Ich weiß nicht, wie du es da wieder rausgeschafft hast, aber dieses Mal ist es endgültig. Wenn du jetzt hier rausgehst, kannst du nicht mehr zurück.
Er schüttelt den Kopf.
– Nicht, um sie abzuholen, und auch
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