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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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Glauben, Veränderung, Erneuerung. Eine transformierende Erfahrung, so wie ich sie hatte.
    Er hält eine Hand parallel zum Boden und wackelt damit.
    – Okay, ja, vielleicht sind hier ein paar Leute anderer Meinung.
    Dann ballt er die Hand zur Faust, fährt den Daumen aus und richtet ihn zum Himmel.
    – Aber die sind in der Minderheit. Daniel war die große Nummer, wurde von allen geliebt – wird er ja immer noch –, aber er war auch recht konservativ. Viele meiner Brüder und Schwestern wollen über sich hinauswachsen, wollen die Veränderung noch miterleben. Klar, sie meditieren und suchen nach dem Wesen des Vyrus, aber sie wollen auch dabei sein, wenn die Zeit der großen Säuberung kommt. Wenn die Welt nach den Maßstäben des Vyrus neu geformt wird. Das wollen sie nicht verpassen. Versteh ich auch. Kommt eben drauf an, wie man seinen Glauben begreift. Ich bin eher dafür, die Botschaft zu verbreiten, es anzupacken. Genau das verlangt das Vyrus von uns. Deshalb verwandelt es uns in Raubtiere, Aggressoren. Es will, dass wir aggressiv sind. Also sage ich zu meinen Leuten: Dann seid doch scheißaggressiv, Mann!
    Er deutet auf die Schiebetür zur Straße.
    – So eine Aktion wie heute Nacht, als ich die Typen mit der Lizenz losgeschickt hab, mal ihre Kampfkünste auszuprobieren, wäre zu Daniels Zeiten undenkbar gewesen. Aber den Leuten gefällt dieser neue Ansatz. Sie finden es richtig, dass wir mal Präsenz zeigen und für Ordnung in der Nachbarschaft sorgen.
    Ich hebe einen Finger.
    Er nickt eifrig.
    – Klar, klar, du hast Fragen, Mann. Schieß los.
    – Ich frage mich, woher du gewusst hast, dass ich wieder in der Gegend bin.
    – Das war leicht. Ich halt schon das ganze Jahr über nach dir Ausschau. Sobald du die Insel betreten hast, hab ich davon erfahren.
    Ich knirsche mit den Zähnen.
    – Philip, dieses Arschloch.
    – Genau, Mann, Philip, dieses Arschloch. Auch ein gutes Beispiel. Daniel hätte mit dem Kerl niemals auch nur geredet. Aber ich kannte ihn ja von früher, da lag es doch nahe, ihn als Informanten anzuheuern. Sobald du aufgetaucht bist, hat er mich angerufen.
    Er stützt die Arme auf dem Geländer ab.
    – Scheiße, Joe. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis du dich ins Niemandsland traust und hierherkommst. Ich war schon fast besorgt, weil du so lange gebraucht hast.
    Ein weiterer Körper verschwindet in der Kanalisation.
    – Ich hatte noch was zu erledigen.
    – Ja, wer hat nicht?
    Er legt seine heiße, trockene Hand auf meine.
    – Aber jetzt bist du ja hier, Mann. Das ist gut. Sehr gut. Ausgezeichnet.
    Ich ziehe meine Hand weg.
    – Wieso das denn, Graf?
    Er kommt näher und grinst.
    – Ich will, dass du dich uns anschließt. Dass du die frohe Botschaft annimmst. Wie gesagt, Daniel war der Meinung, dass du zur Enklave gehörst. Das heißt schon was. Das verleiht dir Glaubwürdigkeit. Im Übrigen kriegst du hier auch einiges geboten.
    Er runzelt die Stirn.
    – Weißt du, die meisten hier sind mit unseren Expansionsplänen einverstanden. Sie wollen in Aktion treten, die große Säuberung einleiten. So wie ich die Sache sehe, hat die letzte Veränderung, die wir durchlaufen müssen, bereits stattgefunden. Jetzt nicht im physischen Sinne, wie es hier manche vielleicht erwarten, sondern eher auf spiritueller Ebene. Und wenn dem so ist, Mann, dann hab ich diese Veränderung auch vollzogen. Aber so was von.
    Er spitzt die Lippen.
    – Klar, das ist eine heikle Sache. Und ich will jetzt auch nicht angeben oder so, aber ich glaube, ich bin der Vyrusmessias.
    Er schüttelt den Kopf.
    – Aber ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher. Über den Scheiß muss ich noch ein bisschen meditieren. Egal.
    Er schnippt mit den Fingern.
    – Hier gibt es ein paar Leute, die meinen, dass das alles zu schnell geht. Eile mit Weile, sagen sie. Daniel hätte es genauso gesehen. Aber das bringt einen Riesenhaufen Scheißprobleme mit sich. Ein Kerl wie du, dem Daniel vertraut hat, wäre eine große Hilfe für mich. Gerade jetzt könntest du mir bei einem ganz besonderen Problemfall zur Seite stehen. Aber es gibt natürlich noch vielen andern Kram zu erledigen. Die Aufgaben hören nie auf in unserer Welt, oder?
    Er kratzt sich den kahlen Schädel und sieht zu, wie einem Sparringspartner die Kinnlade zertrümmert wird.
    – Weißt du, ich hab Angst, dass die Jungs da unten etwas überreagieren, wenn wir geschlossen das Lagerhaus verlassen und sie das ganze Blut riechen. Aber das ist nicht der Punkt.

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