Bis zur letzten Luge
Stück von meinem Ansehen, aber du wirst alles verlieren.“
„Du verstehst es noch immer nicht.“ Sie hob den Kopf etwas an. „Ich habe nichts zu verlieren.“
„Du hast Gulf Coast. Meinst du, du könntest in der Stadt bleiben und die Firma einfach weiterführen? Du würdest von allen gesellschaftlichen und geschäftlichen Zusammenkünften ausgeschlossen werden. Niemand würde dir helfen. Niemand würde dich unterstützen. Im Laufe weniger Monate wäre Gulf Coast zugrunde gerichtet.“
„Das kann ich mir denken.“ Sie zwang sich, ruhig zu wirken. „Vielleicht wäre das sogar das Beste.“
„Es gibt keinen Ort, an den du fliehen kannst, Rory. Keinen Ort, an den dein Geheimnis dich nicht begleitet. Da kannst du dir sicher sein.“
„Es gibt Orte, an denen mein Geheimnis mich nur noch attraktiver macht. Orte wie Paris, Orte, die weit weg sind von dir und deinem Bett, Henry. Und wenn ich nicht in deinem Bett bin, wie willst du dann die Söhne bekommen, die du dir so sehr wünschst? Das hier ist eine katholische Stadt, und auch wenn dein Interesse an der Kirche nur politischer Natur ist, musst du ihre Gesetze respektieren. Du kannst dich nicht von mir scheiden lassen – egal, was ich getan habe. Und ich glaube kaum, dass meine Vergangenheit ein Grund ist, die Ehe annullieren zu lassen.“
Er lächelte. „Ich wusste, dass du Mut hast. Mir war nur nicht klar, wie groß dieser Mut ist. Aber eines hast du vergessen: Ich weiß, wo deine Tochter lebt, und ich weiß, wer dein Liebhaber war. Und ich kann ihnen schaden.“
Sie unterdrückte ein Schaudern. „Warum sollte es mir etwas ausmachen, ob du Rafe Cantrelle schadest?“ Sie wartete einen Herzschlag lang. Seine Miene veränderte sich nicht, doch offenbar hatten ihre Worte ihn zum Nachdenken gebracht. „Als du in meiner Vergangenheit herumgeschnüffelt hast, hast du da auch herausgefunden, wie sehr ich ihn hasse?“, fragte sie.
Er neigte den Kopf, als wollte er sie aus einer anderen Perspektive ansehen.
„Ich würde gern sehen, dass er für das bestraft wird, was er mir angetan hat. Aber Nicolette ist unschuldig, und ich halte nichts davon, Kindern wehzutun.“
„Du liebst sie.“
„Nein. Ich empfinde etwas für sie. Sie ist mein Kind. Doch wenn ich sie lieben würde, hätte ich sie doch behalten, meinst du nicht? Ich hätte einen Weg gefunden. Also täusche dich nicht, wenn du dir überlegst, wie weit du gehen musst, um mir wehzutun. Nicolette ist eine Waffe, die dir zur Verfügung steht, aber keine so starke Waffe, wie du gehofft hast. Und wenn du ihr wehtust, werde ich zurückschlagen.“
Er lachte.
Sie senkte die Stimme. „Beim Blut meiner ungeborenen Kinder schwöre ich, dass ich das, was auch immer du meiner Tochter antun wirst, einem deiner Söhne antun werde.“
„Du bist verrückt.“
„Wie schon meine Mutter.“ Sie lächelte, auch wenn ihr übel war. „Es gibt Dinge, die ich von dir will, Henry. Wenn du mir gibst, was ich will, werde ich aus freien Stücken bei dir bleiben und eine mustergültige Ehefrau und Mutter sein. Ich will, dass Gulf Coast wieder aufgebaut wird. Ich möchte Kinder und das Leben, das wir uns zusammen aufbauen können. Doch falls du meiner Tochter schadest oder versuchst, mich zu ruinieren, wirst du merken, dass du einen Teufel geheiratet hast!“
Er blickte sie abschätzend an, als wollte er sehen, wie ernst sie es meinte. Ihre eigenen Worte gingen ihr im Kopf herum, bis sie nicht mehr wusste, was Wahrheit und was Lüge war. Sie wusste nur, dass sie um das kämpfte, was von ihrem Leben noch übrig war, so wie sie für den Rest ihres Lebens gegen ihn würde ankämpfen müssen.
Schließlich ergriff er ihre Hand und legte das Medaillonhinein. Dann schloss er ihre Finger um das Schmuckstück. „Wir werden sehen.“
„Ja. Das werden wir.“ Sie bemerkte, dass das Grün seiner Augen sich nicht verändert hatte. Aber sie glaubte auch, Bewunderung in seinem Blick zu sehen. Doch selbstverständlich konnte das, wie alles an ihm, eine Lüge oder nur ein Teil der Wahrheit sein.
24. KAPITEL
A urore betrachtete das schlafende Kind in dem Silver Cross- Kinderwagen, den Henry in England bestellt hatte. Hughs Haare lagen in seidigen Löckchen ausgebreitet auf der Decke aus Leinen. Sein Haar war etwas heller als ihres, aber seine Augen waren vom selben Lavendelblau wie ihre. In seinem Gesicht war nichts, was an seinen Vater erinnerte – fast als wäre Henry bei der Empfängnis ihres Sohnes nicht einmal da gewesen.
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