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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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süße, unbeschreiblich perfekte Kleinigkeit sie nur daran erinnern würde, dass sie diese Jahre mit ihrer Tochter versäumt hatte und auch die kommenden Jahre nicht miterleben würde?
    Ihre Wangen waren noch immer feucht von ihren Tränen, als er aufwachte. Er quengelte nicht herum. Er zeigte immer mit einem Lachen, dass er wach war. Er war erst fünf Monate alt und vermutlich während der fürchterlichen Hochzeitsnacht gezeugt worden. Aber sie fühlte sich ihm näher, als sie sich je einem anderen Menschen gefühlt hatte. Wenn er nicht in ihrer Nähe war, kam es ihr vor, als würde ein Teil von ihr fehlen.
    Sie hob ihn aus dem Kinderwagen und lächelte ihn durch den Tränenschleier hindurch an. „Mamas Liebling“, flüsterte sie. „Hast du gut geschlafen?“
    Als er sie sah, brabbelte er fröhlich vor sich hin, patschte mit seinen Händchen gegen ihre Nase und ihren Mund, als würde er sie auffordern wollen zu lächeln. Schon jetzt konnte er Geräusche machen, die sich anhörten, als würde er nach ihr rufen.
    Sie hatte es abgelehnt, eine Amme für ihn einzustellen. Sie wollte, dass ihr Sohn von ihr gestillt wurde. Und obwohl Henry ihr gedroht hatte, war sie standhaft geblieben. Sie hatte eingewilligt, dass Cleo auf ihn aufpasste, wenn sie nicht da sein konnte. Doch sie, und nur sie allein, fütterte ihn. Überraschenderweise hatte Henry nachgegeben. Aber dafür machtees ihm Freude, sie von Henry fernzuhalten, wenn es Zeit zum Stillen war. Er war nicht zufrieden mit ihrem Sohn. Hughs Gutmütigkeit schien zu zeigen, dass er nichts von dem Feuer, dem Biss hatte, den ein Sohn beweisen sollte.
    Aurore wechselte Hugh die Windeln und machte es sich dann auf der Decke bequem, um ihn zu stillen. Es war niemand in der Nähe, bis auf eine farbige Nanny mit zwei kleinen Kindern, die weit entfernt waren. Bäume und Büsche boten ihr Schutz, und sie legte sich noch ein Tuch über die Schultern, in dessen Falten sie den kleinen Hugh verbergen konnte, um den Anstand zu wahren. Als seine winzigen Lippen an ihrer Brust saugten, schloss sie die Augen und zwang sich, zu glauben, dass es eines Tages reichen würde, dieses Kind zu lieben.
    Irgendwo in der Ferne hörte Rafe das Trompeten eines Elefanten. Er nahm zwei Dollar aus seiner Tasche. „Mach dir nicht die Mühe, morgen noch mal zur Arbeit zu erscheinen. Die Herzogin will unter ihren Angestellten keine Spione.“ Er reichte Lettie Sue das Geld. „Das schulden wir dir noch. Und such dir keine Anstellung in der Basin Street. Du wirst keine finden.“
    „Ich habe der Lady nichts Wichtiges erzählt“, sagte Lettie Sue. Sie senkte den Blick nicht, sondern sah ihm direkt in die Augen. „Ich wollte nur etwas Geld dazuverdienen. Für das, was ich arbeite, bekomme ich nicht genug. Ich kann meinen Kindern kein Fleisch mehr zu essen geben, nur Bohnen und Reis. Und sie haben genug von Bohnen.“
    „Wenn du mehr Geld brauchst, hättest du zu mir kommen sollen.“
    Lettie Sue stieß ein raues Lachen aus. „Warum? Damit Sie mich doppelt so viel arbeiten lassen und mir halb so viel Geld dafür zahlen? Sie halten sich für was Besseres, Mr Rafe. Stolzieren durch die Stadt, als würde sie Ihnen gehören. Aber Siesind genau wie ich, nicht einen Deut besser, auch wenn Ihre Haut heller ist. Sie erinnern sich nicht mehr daran, wie es ist, arm zu sein. Jemand sollte Ihnen die Erinnerung wieder ins Gedächtnis rufen – mit einer ordentlichen Tracht Prügel!“ Er wollte an ihr vorbeigehen, doch sie packte seinen Arm. „Nein, Sie sind nicht wie ich“, sagte sie. „Sie sind nicht halb so gut. Ich kümmere mich um meine Kinder, gebe ihnen, was ich kann. Ich gehe mit ihnen in die Kirche und schicke sie in die Schule. Und abends, Mr Rafe, bringe ich sie ins Bett und höre mir ihre Gebete an. Sie behandeln Ihre Tochter, als wäre sie der Teufel. Tja – sie ist kein Teufel. Sie ist ein kleines Mädchen wie meines, und eines Tages, wenn meine Kinder sich an mich erinnern und traurig sind, weil ich tot bin, wird Nicolette für Sie nichts mehr empfinden. Sie wird sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie Sie ausgesehen haben!“ Sie ließ seinen Arm los und wischte sich die Finger an ihrer Schürze ab.
    Er ging weiter, aber er hörte, wie sie sich auf dem Weg hinter ihm umdrehte.
    Er war Lettie Sue in den Park gefolgt. An diesem Morgen war sie mit einer weiteren von zahllosen Ausreden, das Haus verlassen zu können, zur Herzogin gegangen, und er war misstrauisch geworden. Aurore war im vergangenen

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