Bis zur letzten Luge
schien fast zu hoffen, etwas Interessantes entdecken zu können, das es mit einem größeren Gefährten teilen konnte, der im Schutz eines umgedrehten Einbaums döste.
Luciens Ziel war fünfzehn Gehminuten entfernt, an Häusern mit Wein- und Gemüsegärten vorbei. Auf der Grand Isle versperrten Reihen von uralten knorrigen Eichen die Aussicht, doch hier konnte Lucien mit einem Blick den Großteil des Dorfes erfassen. Die Bewohner der Chénière hatten ihre Bäume abgeholzt, um an heißen Sommertagen die Golfbrise spüren zu können.
Vor drei Jahren war er zum ersten Mal diesen Weg entlanggegangen. Er und ein Freund waren von der Grand Isle zur Chénière gesegelt, um ein neues Fischernetz als Geschenk für die Frau des Freundes zu erstehen. Das Netz sollte bei einer Abendveranstaltung im Herbst, die das Motto „Am Meer“ trug, als Dekoration dienen.
Als sie angekommen waren, hatte man sie zur Hütte von Marcelite Cantrelle geführt. Lucien hatte ein zahnloses Weib erwartet, das skrupellos feilschen würde. Stattdessen war er verzaubert gewesen, als er einer dunkelhaarigen Verführerin gegenüberstand. Sie hatte mit einem solchen Charme verhandelt, dass ihm nicht einmal aufgefallen war, dass er doppelt so viel ausgegeben hatte wie geplant.
Lucien war in jenem ersten Sommer oft zurückgekehrt, um Marcelite zu sehen. Zuerst hatte er sich Ausreden für seine häufigen Besuche überlegt – ein neues Netz, Ratschläge, wie er beim Fischen erfolgreicher würde, ein kleines Geschenk für Raphael. Aber im August dann waren er und Marcelite zu einem stummen Einvernehmen gekommen. Er kam vorbei, wenn er Zeit hatte, und brachte ihr Geschenke und Geld. Im Gegenzug gab sie sich ausschließlich ihm hin. Diese Übereinkunft hatte für sie beide Vorteile.
Lucien hatte diesen Weg schon oft genommen. Und immer war er voll freudiger Erregung, wenn er sich vorstellte, Marcelite bald in den Armen halten zu können. Jetzt kam er um eine Kurve, und Marcelites Zuhause tauchte auf. Gebaut aus Treibholz und das Dach mit Palmblättern gedeckt, war die Hütte ebenso eine Schöpfung der einheimischen Sitten und Kultur wie seine Bewohnerin. In der Ferne konnte Lucien sie sehen. Sie erwartete ihn im Schutze der Wassereiche. Das Weiß ihrer Schärpe hob sich leuchtend gegen das verwitterte Braun der Palmblätter ab. Er konnte sehen, wie ihre Hände über das Fischernetz flogen, zogen, ausrichteten, knüpften, doch ihr Blick war auf ihn gerichtet.
Als er näher kam, legte sie das Netz zur Seite und stand auf, aber sie ging nicht auf ihn zu. Sie war keine große Frau, doch mit ihrem majestätischen Auftreten und der stolzen Kopfhaltung wirkte sie größer, als sie war. Sie strich sich nicht den Rock glatt und spielte auch nicht nervös mit den Fingern. Sie wartete einfach.
Als sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, machte er eine kleine Verbeugung. „Mademoiselle.“
„Monsieur“, erwiderte sie in der rauchigen, abgehackten Sprechweise, die so typisch für die Gegend an den Bayous war.
„Wo sind die Kinder?“
„Angelle liegt im Haus und schläft. Raphael erkundet die Gegend.“
„Am Strand habe ich ihn nicht gesehen.“
„Er geht jeden Tag weiter und sucht nach Schätzen.“ „Das ist der Einfluss dieses alten Piraten, Juan Rodriguez.“ „Raphael sucht mehr als nur Goldstücke. Er sucht einen Mann, mit dem er reden kann.“
Lucien hörte keinen Vorwurf in Marcelites Stimme, aber er spürte ihn trotzdem. „Er könnte einen besseren Gesprächspartner finden als den alten Rodriguez.“
„Juan ist nett zu Raphael. Der Junge könnte seinen Geschichten ewig lauschen.“
Lucien stützte sich mit einer Hand am Baumstamm ab. Diese Haltung brachte ihn ihr noch näher. „Und was könntest du ewig machen, mon cœur ?“
Sie hob die Schultern, und er beobachtete, wie der weiche Musselinkragen sich bewegte. „Essen, mais oui ? Im Schatten sitzen und dabei zuschauen, wie die Reiher sich ihre nächste Mahlzeit schnappen?“
„Und was noch?“
„Mir fällt sonst nichts ein, das ich ewig tun könnte.“ Sie senkte den Blick, bis ihre Wimpern ihre sonnengebräunten Wangen küssten. „Aber vielleicht fällt mir etwas ein, das ichgern oft machen würde.“
Sein Herz schlug schneller. Er nahm jede Kleinigkeit von ihr in sich auf – die Art, wie das Licht durch die Äste der Eiche auf ihr schwarzes Haar fiel, die winzigen goldenen Ringe in ihren Ohrläppchen, den kräftigen Schwung ihrer Nase, die sinnliche Wölbung
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