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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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diese Entscheidung nicht treffen.“
    „Ich habe sie schon getroffen.“
    „Ich verbiete es dir!“
    „Das kannst du nicht.“ Claire umklammerte die Hand ihrer Tochter.
    „Hast du mal einen Blick nach draußen geworfen? Wenn ihr jetzt geht, könntet ihr von einem umstürzenden Baum getötet werden. Ich verbiete es!“
    „Wir hätten schon vor Stunden gehen sollen, das stimmt. Aber du wolltest es nicht erlauben. Jetzt müssen wir es riskieren, auch wenn es dir nicht passt.“ Claire durchquerte das Zimmer und zog Aurore mit sich. Sie machte einen möglichst großen Bogen um ihren Vater.
    „Mein Haus steht auf einer Anhöhe in einiger Entfernung zum Strand“, erklärte Clebert. Er war klein, doch drahtig und stark. Aurore war schon zweimal mit Ti’Boo bei ihm zu Hause gewesen, und sie wusste, wie schnell er sich bewegen konnte. „Es ist von Bäumen geschützt. Wir werden den Sturm dort sicher überstehen.“ Er machte einen Schritt vor, als wollte er Antoine davon abhalten, seine Tochter packen zu können. „Sie sind herzlich willkommen.“
    „Ich verbiete Ihnen, sie mitzunehmen!“
    „Ich fürchte, ich muss es tun.“
    Aurore sah, wie ihr Großvater einige Schritte auf Ti’Boos Onkel zumachte. Clebert drehte sich zur Seite und erhob eine Faust. Antoine schien mit einem Mal kleiner und älter zu werden. Er blieb stehen.
    „Mein Mann ist nicht bei mir“, rief ihre Mutter. „Ich weiß nicht einmal, ob er in Sicherheit ist. Willst du mich auch noch um meinen Vater bringen?“
    „Das ist Unsinn! Ich werde diese Hütte nicht verlassen, Claire. Krantz hat mir versichert, dass wir hier sicher sind, und Krantz ist ein Ehrenmann. Wenn du gehst, lass wenigstens Aurore bei mir. Sie ist zu klein, um da draußen zu überleben.“
    „Sie ist meine Tochter. Sie kommt mit mir.“
    „Jeder Moment, den wir noch warten, macht alles noch gefährlicher“, wandte Clebert ein.
    „Aurore!“ Antoine breitete die Arme aus.
    Aurore spürte so deutlich, wie sie zwischen den Erwachsenen hin und her gerissen wurde, als würden sie tatsächlich an ihren Händen zerren. Tränen schossen ihr in die Augen und rannen über ihre Wangen. Sie sah zur Tür, wo Ti’Boo stand, und bemerkte das Mitgefühl in den Augen der Freundin. Dann streckte Ti’Boo die Arme nach ihr aus. Aurore löste sich von ihrer Mutter und floh zu ihrer Freundin.
    „Papa, bitte komm mit“, flehte ihre Mutter. „Bitte!“
    „Du bist tatsächlich so verrückt, wie dein Mann glaubt!“, erwiderte er ernst. „Und du bist eine schlechte Mutter. Jetzt verstehe ich, warum Gott dir keine Kinder mehr schenkt!“
    Aurores Mutter stieß einen gequälten Laut aus, der wie der heulende Wind klang. Dann schlang sie den Mantel fester um sich und ging zu ihrer Tochter. Clebert drehte sich um und öffnete die Tür.
    Im nächsten Moment waren sie im Sturm.
    Lucien hatte sich eingeredet, dass der Sturm – auch wenn es ein heftiger Sturm war – schnell vorbeigehen würde. Obwohl das Wasser stetig stieg, wollte er die Möglichkeit, dass er in Gefahr sein könnte, noch immer nicht in Betracht ziehen. Aber als Marcelite in den vorderen Teil des Hauses zurückkehrte, war auch der Wind stärker geworden. Die Laterne in der einen Hand und das nasse Kleid mit der anderen hochhaltend, trat sie zu ihm ans Fenster, von dem aus man die Veranda überblicken konnte. „Es wird schlimmer.“
    „Unsinn! Du hast nur Angst vor Stürmen. Und wer kann es dir verübeln, wenn man bedenkt, wie du lebst?“
    Sie stellte die Lampe ab. „Doch jetzt, mit deiner Hilfe, wird sich das ja ändern.“
    Er berührte sie nicht. „Wenn ich nach dem Sturm nach Hause zurückkehre, werde ich nicht mehr wiederkommen.“ Er hörte, wie sie scharf einatmete. Obgleich er nun die Chance hatte, die Wahrheit zu sagen, konnte Lucien sich nicht überwinden, zuzugeben, dass sein Schwiegervater ihm ein Ultimatum gestellt hatte. „Überrascht dich das? Hast du nicht immer gewusst, dass ich dich verlassen würde, sobald ich herausfinde, welcher Rasse dein Sohn angehört?“
    „Mein Sohn ist ein kleiner Junge, ein guter Junge. Ansonsten gibt es nichts zu wissen.“
    „Dein Sohn ist ein Mischling! Sein Vater war ein Sklave. Seine Mutter ist eine Hure!“
    Sie sah ihn an. „Und zu was macht dich das, Lucien? Du hast mit dieser Hure zusammen zwei Kinder, oder etwa nicht?“
    Er schlug ihr gegen die Schulter, und Marcelite taumelte rückwärts, ehe er sie wieder an sich zog und sie schüttelte. Verzweiflung

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