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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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verlockend nah gegenüberstanden. Manchmal gab es Aufführungen, manchmal Spiele.
    An diesem Sonntag jedoch gab es kein Unterhaltungsprogramm. Gekleidet in mit Spitze besetztem weißen Pikee, kniete Aurore neben ihrer Mutter und betete den Großteil des Morgens über. Am Nachmittag, als der Wind blies und es regnete, lag sie im Bett und starrte an die Decke, währendihre Mutter schlief. Am vergangenen Nachmittag war ihr Großvater überraschend angereist, doch sie hatte ihn kaum zu Gesicht bekommen. Ihr Vater war wieder segeln gegangen, aber nicht, ohne sich vorher noch einmal mit ihrer Mutter zu streiten.
    Aurores Vater war noch nicht zurück, als das frühe Abendessen serviert wurde. Beunruhigt wegen Lucien und der außergewöhnlichen Blässe ihrer Mutter stocherte Aurore lustlos in ihrem Essen herum. Niemand sagte ein Wort, doch der Wind blies heftig, und manchmal wurde das Häuschen von einer Windböe durchgerüttelt.
    Sie ging früh zu Bett und war froh, der Angst im Blick ihrer Mutter entfliehen zu können. Mit dem Ächzen des Windes schlief sie ein. Einmal wachte sie auf und dachte, sie hätte zornig erhobene Stimmen gehört, aber sie schlief wieder ein, noch bevor sie heraushören konnte, wer dort stritt.
    Der Wind war noch lauter und stärker geworden, als Aurore Arme um sich spürte, die sie hochhoben. Es kam ihr vor, als wäre sie gerade erst eingeschlafen, und sie wollte nicht aufwachen. In ihren Träumen war das Haus ruhig, und sie war in Sicherheit.
    Die Arme hoben sie noch höher, und ein unmelodisches Heulen verjagte ihre Träume. Sie schlug die Augen auf und starrte in das Gesicht ihrer Mutter.
    „Wir gehen zum Haus von Ti’Boos Onkel. Doch du musst leise sein“, flüsterte ihre Mutter. „Grand-père Antoine glaubt, dass wir hier sicherer sind. Er schläft und darf nichts merken.“
    Aurore konnte sich nicht daran erinnern, wann ihre Mutter sie je so in den Armen gehalten hatte. Schläfrig strich sie über Claires Wange. Sie war feucht von Tränen.
    „Ti’Boo wird dir beim Anziehen helfen, aber du musst ruhig sein. Hast du verstanden?“
    „Was ist das für ein Lärm?“, wisperte Aurore.
    „Der Wind.“
    „Warum gehen wir zu tonton Cleberts Haus?“
    „Er holt Ti’Boo ab. Er findet, wir sollten auch mitkommen.“ Aurore wollte den Moment noch ausdehnen. Ihre Mutter hatte die Arme um sie geschlungen, als würde sie auf die Tochter achtgeben, die sie so selten wahrzunehmen schien. Aurore blickte ihr in die Augen, die von demselben blassen Blau waren wie ihre. Augen, die ausnahmsweise einmal auf sie gerichtet waren. Sie nickte.
    Ihre Mutter stellte Aurore auf den Boden. Erst da sah das Kind Ti’Boo, die in der anderen Ecke des Zimmers beim Schrank stand und Kleider herausholte. „Ich bin gleich zurück“, flüsterte Claire.
    Aurore beobachtete, wie sie ging. Ti’Boo trat zu ihr und half ihr beim Ankleiden, sagte jedoch kein Wort. Aurore spürte ihre Ungeduld, weil sie sich so ungeschickt anstellte. Als sie fertig war, ergriff Ti’Boo ihre Hand und führte sie ins Wohnzimmer des Häuschens. Clebert stand an der Tür. Es brannte kein Licht, doch das Zimmer wurde durch die Blitze erhellt, die so oft am Himmel zuckten, dass Aurore die besorgte Miene von Ti’Boos Onkel erkennen konnte.
    Sie fühlte sich nicht länger mutig und tapfer. Der Mut, den die Umarmung ihrer Mutter ihr gegeben hatte, erstarb. Sie fing an, leise zu schniefen.
    Ti’Boo zwickte sie. Sie flüsterte Aurore ins Ohr: „Wenn du weinst, RoRo, kneife ich dich noch fester!“
    Aurore war so überrascht von dem Schmerz, dass sie vergaß, noch einmal zu schniefen.
    „Gut“, wisperte Ti’Boo. „Du musst jetzt ein tapferes Mädchen sein.“
    Claire kam ins Zimmer, machte ihren Mantel zu und brachte Aurores Mäntelchen mit. Ohne ein Wort legte sie ihr den Mantel um und schloss ihn fest um Aurores Hals. Dann ergriff sie ihre Hand.
    „Wohin wollt ihr?“
    Aurore sah ihren Großvater in der Tür stehen. Die Hand ihrer Mutter zitterte.
    „Ich habe gefragt, wohin ihr wollt, Claire!“
    Aurore sah hoch und bemerkte, wie die Lippen ihrer Mutter sich bewegten. Doch kein Wort kam heraus.
    „Ihr geht sofort wieder ins Bett!“, befahl ihr Großvater. „Nein.“ Ihre Mutter packte Aurores Hand noch ein bisschen fester. „Nein. Ich werde nicht ins Bett gehen. Ich werde Aurore zu Monsieur Boudreauxs Haus bringen, papa .“
    „Du wirst das Kind nirgends hinbringen.“
    „Komm mit uns.“
    „Dir geht es nicht gut, Claire. Du kannst

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