Bis zur letzten Luge
Versprechungen nicht zum Schweigen bringen lassen. In seiner Welt war sie eine Frau ohne Einfluss, und doch stand sie kurz davor, sein Leben zu zerstören.
Ein lautes Krachen vor dem Fenster ließ sie herumwirbeln. Sie starrte in die Dunkelheit hinaus. Lucien war dankbar für die Störung. „Was war das?“, fragte er.
„Jemand kommt die Treppe herauf.“ Sie zeigte nach draußen.
„Die LeBlancs?“
„Ich weiß es nicht.“
Er machte einen Schritt zur Seite, um etwas erkennen zu können. Mehr als ein halbes Dutzend Menschen kämpfte sich durch den Regen. Als es blitzte, sah er, wie eine der Personen stolperte und vom Wind gegen die gegenüberliegende Brüstung geschleudert wurde. Ein Arm schoss vor, um zu helfen; dann wurde der Himmel schwarz.
Marcelite verschwand im hinteren Teil des Hauses. Sie kehrte gerade mit Handtüchern zurück, als die Tür aufflog und ein Mann erschien.
„Hier ist schon jemand!“, schrie er über seine Schulter. Kurz darauf war der Eingangsbereich voller Menschen.
Marcelite trat nach vorn, als würde das Haus ihr gehören, und half den Neuankömmlingen dabei, ihre nassen Mäntel auszuziehen und sich abzutrocknen. Lucien zählte drei Männer, zwei Frauen und vier Kinder.
Eine der Frauen weinte. „Unser Haus ist zerstört“, schluchzte sie. „Wir haben alles verloren.“
Lucien sah den Männern in die Gesichter und hoffte, dort lesen zu können, dass die Frau übertrieb. Aber stattdessen wurden ihre Worte bestätigt. „Ihr Haus ist zerstört?“
Einer der Männer nickte. „Eingestürzt.“
„Wurde jemand verletzt?“, fragte Marcelite.
Ein kleines Mädchen streckte den Arm aus, als wollte es seine Verletzung zeigen. Eine der Frauen zog die Kleine aus Marcelites Reichweite zurück. Doch Marcelite trat vor, sodass die Frau gezwungen war, sie anzusehen. „Wir sind Nachbarn, oder nicht? Vor allem jetzt.“
„Lass sie einen Blick auf die Wunde werfen!“, befahl einer der Männer.
Die Frau beachtete ihn nicht und hielt das Kind fest. Aber als Marcelite geduldig abwartete, ließ sie schließlich die Hände sinken. Marcelite murmelte dem Kind tröstende Worte zu und schlang ein Handtuch um seinen Arm.
„Wie sind Sie hierhergekommen?“, richtete der erste Mann, der das Haus betreten hatte, das Wort an Lucien.
Er erklärte, wie sie es geschafft hatten. „Ich hoffe, Monsieur LeBlanc wird es verstehen.“
Der Mann zuckte die Achseln. „Und wenn nicht? Was ist der Zorn eines Mannes gegen diesen Sturm?“
„War Ihr Haus in der Nähe des Strandes?“
„Nicht so nah wie einige andere. Und ich habe es selbst gebaut. Ich habe es im Boden verankert!“
„Bestimmt haben wir das Schlimmste bald überstanden. Vielleicht steht von Ihrem Haus noch genug, um es wieder aufzubauen.“
„Inzwischen ist es wahrscheinlich auch schon Treibholz, das man auf Grand Isle am Strand einsammeln kann. Wir haben gedacht, wir könnten mein Boot an die Bäume in Leopold Perrins Garten binden, doch das Wasser ist zu aufgewühlt und der Wind zu stark. Der Sturm wird nicht schwächer, mon ami ! Er spielt nur mit uns.“
Lucien blickte aus dem Fenster. „Nein! Unmöglich.“
„Es gab schon einmal ein solches Unwetter.“ Einer der anderen Männer trat zu ihnen. Er war alt – das Familienoberhaupt, wie Lucien vermutete –, und aufgrund des Alters und der Erschöpfung zitterte seine Stimme. „Ich war damals noch jung. Der Sturm wütete, und das Wasser stieg, aber der Wind drehte, und das Schlimmste ging an uns vorüber. Als am nächsten Tag und am Tag darauf der Himmel wieder klar und es fast windstill war, sahen wir, wie Leichen und die Überreste von Häusern angespült wurden. Sie kamen von der L’Isle Dernière.“
Der jüngere Mann hatte die Geschichte offenbar schon öfter gehört. Er wirkte schicksalsergeben. „Wenn wir Glück haben, wird dieser Sturm wieder abdrehen. Doch auf der L’Isle Dernière lebt niemand mehr. Wenn der Sturm mehr als nur Sand und Palmen will, kommt er hier an Land.“
„Er wird kommen“, prophezeite der alte Mann.
„Wie hoch ist das Wasser inzwischen gestiegen?“, wollte Lucien wissen.
„Es stand auf der vierten Stufe, als wir angekommen sind. Jetzt ist es wahrscheinlich schon höher. Es steigt schnell.“
„Da ist noch jemand.“ Eine der Frauen zog die Tür auf, und noch mehr Menschen drängten herein, während der Wind den Regen ins Innere peitschte. Die beiden Männer gingen, um mit den Neuankömmlingen zu reden. Marcelite lief nahe genug an
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