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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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zu lassen, z.B. durch verfassungsmäßige Einwilligung der Landtage jedes einzelnen Staates. So parierte Otto mit einem wuchtigen Gegenhieb, der das ganze Komplott entwaffnete. »Er wird immer verrückter!« jammerte Gerlach. »Das ist ja die proklamierte Demagogie!« Verständige Demokratie unter monarchischer Führung.
    »Der falsche Satan!« schimpfte Prokesch in Gegenwart des Kaisers. Der aber versetzte zurechtweisend: »Hätt' ich ihn nur!«

Da die Fürsten sich ohne Preußen mit Österreich allein sehr verwaist fühlten und sich keineswegs blindlings Österreichs Protektorat unterwerfen wollten, so blieb die Reformakte ein hübsches Stück Makulatur im historischen Archiv. Doch bis dahin gab es noch so viel Qual und Anstrengung, daß er an Nanne schrieb, nur demütiges Vertrauen auf Gott lasse nicht an der Zukunft verzweifeln. Zum Überfluß kamen noch zwei harte Schläge hinzu. Seine treffliche Schwiegermutter starb plötzlich, die ihm wie eine wirkliche Mutter war, und die er zärtlich liebte. »Ihre großen, blauen Augen sind für immer geschlossen, sie werden vieles nicht mehr sehen.« Sein tränenvolles Auge schweifte vom Sarg in die Ferne. Gleichzeitig erhielt einen Brief des Ministers Bodelschwingh. Der königliche Flügeladjutant Prinz Hohenlohe habe ihm die Weisung überbracht, dem Kronprinzen mitzuteilen, daß eine vom Ministerpräsidenten erbetene Audienz nun ausfallen müsse, bis dieser von Reinfeld zurückkehre.
    Der Kronprinz hatte nämlich plötzlich am 3. September ein Schreiben an Otto gerichtet, das allem in Gastein Gesagten widersprach. »Der König weiß nunmehr, daß ich der entschiedene Gegner des Ministeriums bin.« Später sandte er eine Denkschrift an seinen Vater, die in wenig zulässiger Form die Gründe seines Frondierens entwickelte. Ein übermäßiges Selbstgefühl seiner kronprinzlichen Würde sprach heraus, das auch richtlich durchaus dem Familienbrauch und den Verfassungsbestimmungen ins Gesicht schlug, welche beide die Stellung eines Thronfolgers sehr umgrenzten und ihm keinerlei wirkliche Einmischung gestatteten. Die Antwort des Königs, gestützt auf viele Randglossen Ottos zu der kronprinzlichen Auslassung, fiel sehr hart und herb aus, enthielt auch die scharfe Anspielung, daß die englischen Verwandten des Kronprinzen naturgemäß englische und nicht deutsche Interessen verträten und hier pflichtgemäß Diskretion geboten sei.
    Die Aussprache mit dem Thronfolger, nachdem Otto von Reinfeld zurückgekehrt, gestaltete sich stürmisch.
    »Warum halten Königliche Hoheit sich von den Sitzungen des Staatsrates fern? Eines Tages wird die Regierung doch an Sie übergehen. Grade wenn und weil Sie einem anderen System huldigen, müßte es Ihre Aufgabe sein, den Übergang zu vermitteln. Opposition ist unfruchtbar.«
    »Ich muß Ihren Rat ablehnen, Herr Ministerpräsident. Einen solchen Übergang und solche Vermittlung wünsche ich nicht, da ich ganz gewiß auch mit allen Personen des früheren Systems keine Verbindung mehr pflegen werde.« Deutlicher konnte er nicht ausdrücken, daß er den »Übergang« mißverstand, als habe Otto ihm seine Dienste anbieten wollen, und daß er jede Anbahnung einer solchen Vermittlung verabscheue. Er warf dabei den Kopf zurück und einen Blick über die Achsel, der mit dem Zorn eines Olympiers kecke Anmaßung eines niederen Sterblichen von sich wies. Das Blut stieg ihm in die Wangen vor Entrüstung über solche Andrängelei, seine hoheitsvolle Haltung gewann Nachdruck durch seine schöne Stattlichkeit in Posen und Gesten. Dieser so überaus Liberale nährte nämlich ein schrankenloses Herrscherbewußtsein, und zwar persönlicher Art, sehr verschieden von dem unpersönlichen Monarchentum seines hohen Vaters, das sich immer nur auf sein von Gott verliehenes Amt bezog. Höchst merkwürdig verquickte sich aber damit eine leicht bestimmbare Schwäche fremden, besonders weiblichen Einflüssen gegenüber und eine von Mutter und Gattin übernommene falsche Demut vor England. Ganz problematisch verwickelte sich dies Wesen erst recht dadurch, daß er, trotz heftiger und herrischer Launen, einer nachhaltigen Tat- und Arbeitskraft entbehrte, im vollsten Gegensatz zum Vater, dafür aber eine edle, obschon zu weiche Menschlichkeit voll Mitleid und lauterster Herzensgüte besaß, der man etwas im besten Sinne Fürstliches nicht absprechen konnte. Eine gewisse Neigung zur Pose, eine gewisse Eitelkeit des schönen Mannes und eine reizbare Launenhaftigkeit nebst

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