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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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hoher Herr ist sehr verdrießlich. Wissen Sie, was er sagt?«
    »Ich bin ganz Ohr.« Und wenn er tausend Ohren hätte, sie hörten alle, sagt Shakespeare; so dachte Otto ironisch, als er Beusts zappelnde Aufregung beobachtete.
    »Nun, er sagt: hätte man mir doch meinen Schwiegersohn geschickt, dem Großherzog von Baden hätte ich gehörig den Kopf gewaschen! Aber dem ehrwürdigen König von Sachsen, wie fatal!« –
    Er fand den König erregt und wieder unschlüssig. »Dreiunddreißig regierende Herren und ein König als Kurier! Es ist doch eine gewisse ehrende Rücksicht darin, daß man mich persönlich in dieser Weise ladet!«
    »Eine Rücksicht, nachdem man über den Kopf des Königs von Preußen weg die ganze Windbeutelei beschloß und inszenierte? Stellt man nicht Eure Majestät einfach vor ein fait accompli?«
    »Das empfinde ich so gut wie Sie. Doch es gibt gewisse Vorstellungen, die nur ein Regierender würdigt. Dreiunddreißig Souveräne und ein König als Kurier! Es wird eine glänzende Versammlung geben.«
    »Das gönnen wir ihnen von Herzen. Der dunkle Punkt darin, unsere Abwesenheit, wird allein alle Augen auf sich ziehen.«
    Der König seufzte. Es fiel ihm schwer, so offen mit all seinen Herren Vettern zu brechen.
    »Glauben Sie wirklich an Separatbündnisse?«
    »Dies ist das wahre Ziel des Kaiserlichen Kabinetts, es wünscht gar nicht, daß wir uns am gemeinsamen Werk beteiligen, es will nur die Mittelstaaten unter einen Hut bringen, den Hut mit dem Doppeladler.«
    »Wenn ich das sicher wüßte,« brauste der König auf, »dann besänne ich mich nicht lange.«
    »Auffälliger kann doch nichts sein, als gleich die erste Notifizierung vom 3. August: falls Preußen sich nicht anschließe, d.h. Gefolgschaft verweigere, werde Österreich für sich ein eigenes Abkommen mit den deutschen Staaten verwirklichen.«
    »Sie haben recht. Ich sehe jetzt klar.«
    »Eure Majestät stehen vor einer großen Verantwortung.« Ottos Stimme klang heiser vor Erregung. »Die Bedürfnisse des preußischen sind die des deutschen Volkes, gleich und unzertrennlich. Wo das deutsche Volk in seiner wahren Bedeutung sich geltend macht, da braucht Preußen nichts zu befürchten. Man will Eure Majestät in eine abschüssige Bahn hineinziehen, wo Preußen und Deutschland gemeinsam die schiefe Ebene hinabrollen.«
    »Das soll man von mir nicht sagen dürfen, daß ich Deutschland an Österreich überlieferte. Das wäre, wie Sie schon früher bemerkten, Verrat an der vaterländischen Sache.« Der König stand hochaufgerichtet, nach seiner Gewohnheit die Hand am mittleren Knopfloch der Uniform. »Sie haben gesiegt. Ich danke Ihnen, daß Sie mir den rechten Weg wiesen. Geben Sie das Schriftstück her!«
    Erst in vorgerückter Nachtstunde unterschrieb er die Absage, die sein Minister eiligst an den bei Kerzenlicht wartenden Beust überbrachte. Otto befand sich in solcher innerer Erregung, daß er sich kaum auf den Beinen erhalten konnte, und indem er durch das Adjutantenvorzimmer hinausschritt, bleib ihm die Türklinke in der Hand unter seinem krampfhaften Griff.
    »Da haben Sie!« warf er das Aktenstück brüsk vor Beust auf den Tisch. »Gott im Himmel sei Dank, daß wir Ihren Schlichen entrannen!«
    »Ich bitte, sich zu mäßigen.«
    »Ich stehe zu Ihrer Verfügung. Ein offener Feind ist mir lieber als ein falscher Freund. Und bitte uns mit weiterer Belästigung zu verschonen! Dieser 19. August ist denkwürdig. Gute Nacht!«
    Seine krankhafte Erschöpfung der Nerven hielt noch lange vor, er floh die Geselligkeit, wo er nach so vielen anderen politisierenden Damen nun auch den Russinnen in die Hände fiel. Er mußte sich zusammennehmen, um nicht grob zu werden. Der Gesandte Goltz erschien mit gewohnter Wichtigtuerei, reiste nach Paris zurück und versicherte, er sei »mit Cäsar ein Herz und eine Seele«. Wie Otto voraussah, ließ Napoleon sofort Österreich fallen, sobald er vom Fürstentag Wind bekam, den er als einen Einbruch in seine eigenen Waidgründe künftiger Rheinbündelei betrachtete. Die Polen sangen umsonst: Noch ist Polen nicht verloren. Und die Deutschen lasen mit Staunen, daß die berühmte Reformakte in Frankfurt durch Selbstausschließung Preußens aus dem Bunde beantwortet sei. Aus Berlin, wohin König und Minister zurückreisten, ergingen die revolutionärsten Forderungen: wirkliches deutsches Volksparlament mit direkten Wahlen. Den deutschen Souveränen liege ob, über das, was sie darböten, die Nation selbst urteilen

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