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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Mein gutes, tapferes Volk! Ich verleihe Ihnen den Roten Adlerorden mit Schwertern. Haben Sie schon soupiert?«
    »Noch nicht, Majestät.«
    »Dann essen Sie mit uns! Legen Sie ab! Ein preußischer Offizier, der für das Vaterland sein Blut vergoß, ist immer an meiner Tafel willkommen.«
    Das »legen Sie ab!« bezog sich auf die Krücken, an denen Gerhard humpelte. Er sagte nachher, daß der Donner der dänischen Geschütze ihn nicht betäubt habe, wohl aber diese herablassende Güte. Jetzt erst wagte er sich im Empfangszimmer des Bahnhofes, wo er stand, umzuschauen. Außer Manteuffel sah er nur noch einen Riesen in hohen Reiterstiefeln, dessen machtvolle Stirn und eisernes Gesicht sofort verrieten, wer er war.
    »Was sagte Ihnen der König?« fragte Manteuffel leise. Gerhard nannte die Dekoration.
    »Ich gratuliere.« Der Chef des Militärkabinetts nickte und notierte den Fall. Gerhard aber hatte nur Augen für den Koloß, der völlig unbewegt im Saale stand, und humpelte an ihn heran. »Melde gehorsamst, Hauptmann v. Gerhard, soeben von Seiner Majestät mit dem Roten Adlerorden dekoriert.«
    »Meinen kameradschaftlichen Glückwunsch!« Die sanfte, helle Tenorstimme des Riesen drang Gerhard mitten ins Herz und der begleitende Händedruck dazu. War dies der Ungeheure, den Europa schon ahnte und von dessen Lippen man Donner zu hören glaubte? Mit einem unbeschreiblichen Lächeln tupfte Otto auf die linke Brustseite der Hauptmannsuniform. »Dort ist noch Platz für vieles ... geben Sie acht, es kommen noch bessere Zeiten.«
    Gerhard sann über diese vielsagenden Worte nach, während das Souper mit Eile und Schweigsamkeit vorüberging und dem König Stangenspargel serviert wurde, wie keinem hanseatischen Patrizier. Der Stationsvorsteher meldete den Extrazug nach Berlin. Als der König über einen vorschriftsmäßigen Teppich in sein Abteil stieg, strich Otto mit dem gespornten Fuß eine Falte glatt. Es sah so aus, als ob er einen Kiesel, der ihm im Wege lag, fortschleudere.
    »Kieck mal, dat is 'n preußischer Stiebel! Wo der hintritt, wächst kein Gras!«
    »Wenn die preußischen Junker alle so aussehen wie der, kann sich der Preußenkönig auf Gott verlassen.«
    Das waren zwei Hamburger Polizisten, die sich so unterhielten. Und als Gerhard den am Waggonfenster stehenden König salutierte, auf seine Krücken gelehnt, dachte er an den Riesen, der vor ihm auftauchte und nie seinem Gesichtsfeld entschwand.
    *
    Beim Bürgermeister Duncker, der in Fortschrittskreisen das größte Haus machte, besprach man eifrig die Lage. In dieser Gesellschaft hatte ein paarmal auch das enfant terrible , der Verfemte aller Parteien, Ferdinand Lassalle sich eingefunden. Der Verkehr endete aber bald, sogar melodramatisch, mit einer Straßenprügelei, wobei er und ein Assessor sich im Rinnstein der Potsdamer Straße wälzten. Die Gründe blieben unklar, es hieß Koketterien der Frau Duncker spukten im Hintergrund. Die Freigeistigkeit der Fortschrittler hinderte indessen nicht, daß ihre üppigen und eleganten Huldinnen den Bannfluch über besagten Lassalle aussprachen, weil er mit seiner einstigen Klientin Fürstin Hatzfeld in freier Ehe lebe. Bei einer Vorführung »lebender Bilder« aus den Befreiungskriegen, die auf Betreiben der Fortschrittspartei der junge Schlachtenmaler Bleibtreu im Viktoriatheater »stellte«, schrie das ganze Mode-Berlin den schönen Volkstribunen an, als er sich doch auch die Bilder seines Freundes ansehen wollte: »Lassalle raus!« Schon wieder Ohrfeigen und Rippenstöße. Es war eine große Zeit.
    Auf dieser Abendsoiree bei Dunckers hielt besonders der Historiker Droysen einen Speech. »Es läßt sich nicht leugnen, daß Herr v. Bismarck manche bedeutenden Eigenschaften besitzt. Wie er so keck und dreist und gottesfürchtig dem Ausland eine Nase dreht, mag vielleicht richtig sein. Am kronprinzlichen Hofe und in Koburg ist man indigniert über den Ton, den er gegen England anschlägt.«
    »Ich beklage tief, daß England, unser aller Vorbild, uns so entfremdet wird,« klagte der Oberbürgermeister Seidel, ein strammer Fortschrittsmann. »Er stößt das Wohlwollen dieser edelsten Nation vor den Kopf, bloß weil er es als Heimat des Liberalismus fürchtet.«
    »Fürchten tut er's eben nicht«, berichtigte Dunker, »ich fürchte, der fürchtet sich überhaupt vor nichts. Und mit dem Wohlwollen ist's man soso. Überm Kanal wünscht man offenbar nicht, daß wir eine Seemacht werden, wenn wir Kiel kriegen.«
    »Ja, ja,

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