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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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unsere Leute haben den Durst nach dem Meere bekommen,« ergänzte Droysen. »Der König hat auch schon eine stille Schwärmerei für die Marine. Einen Aufschwung werden wir ja nehmen, wenn uns nicht noch das Ausland Knüppel zwischen die Beine wirft.«
    »Im Grunde können wir doch nicht Blut und Gut geopfert haben, um einen neuen Kleinstaat zu gründen,« gab Seidel zu. »Darin möchte ich dem Ministerpräsidenten recht geben – d. h. falls er wirklich so denkt, wie man ihm zuschiebt.«
    Landwehrmajor Alexander Duncker, seines bürgerlichen Zeichens Verleger und Hofbuchhändler, überlegte, ob er nicht alle Anwesenden auffordern solle: Vereinen wir uns in dem Rufe, unser allergnädigsten Herr lebe hoch! besann sich aber lieber auf buchhändlerische Reklame für seinen Autor, den frommen Lübecker Emanuel Geibel. Diesen weihevollen Epigonen fanden die reifsten Matronen und unreifsten Backfische geradeso himmlisch wie seinen jüngeren Freund, den jungen Goethe – Pardon, Paul Heyse, den schönen Apollo, um den seine Vaterstadt Berlin das Isar-Athen beneidete, wo dieser Frauenlob prangte. Denn in den Geburtswehen der deutschen Nation hatte die Poesie nichts wichtigeres zu tun, als goethenidische Kunststücke zu pflegen und unter Formspielerei auch noch die schlechtesten Verse einzuschmuggeln. Emanuel hatte in diesem gastlichen Kreise einst sein Meisterwerk vorgetragen: »Es ist wohl vieles, was entzücket, es ist wohl vieles, was gefällt, der Mai, der sich mit Blumen schmücket, die goldene Sonn' am Himmelszelt, doch weiß ich eins, das schafft mehr Wonne,« darauf reimte sich natürlich Sonne, nämlich »eine keusche Minne, von der nur Gott im Himmel weiß.«
    Im Angedenken solcher dichterischen Herrlichkeit deklamierte sein Verleger jetzt die wirklich männlichen Strophen, die sich Geibels süßliche Pathetik abrang: »Wir rufen nein und aber nein zu solchem Einverleiben, wir wollen keine Dänen sein, wir wollen Deutsche bleiben!« Doch Professor v. Sybel seufzte: »Wenn sie nur nicht singen: wir wollen keine Preußen sein, wir wollten Deutsche bleiben!«
    So ging das Raten und Widerraten der Zweifler fort. Und der Wäger und Wager, der Geburtshelfer der schicksalsschwangeren Zeit, saß einsam und allein vor seiner nächtigen Lampe und sann auf immer neue Varianten des Geibelschen Spruches: Und wenn die Not nicht Eisen bricht, das Eisen bricht die Not. –
    Bei Stahrs, wo die ästhetische Welt verkehrte, fand noch kein Umschwung zugunsten des Verhaßten statt. »Dem ist nie zu trauen!« trumpfte der Major Beitzke auf, der in reißendster Fortschrittsströmung schwamm. »Er schmiedet heimlich verworfene Pläne, weil er den Freiheitsgeist der Herzogtümer haßt. Was kümmert solch einen oberflächlichen Junker, daß es sich um die Urheimat unserer ruhmvollen Vorfahren handelt, der Teutonen, nach denen wir Teutsche heißen. So hat Jakob Grimm es öffentlich in der Paulskirche bestätigt. Nicht eine Scholle dieses heiligen Landes darf Fremdlingen abgetreten werden.« Und setzte nicht Waitz, der Kieler Historiker, damals bei der Nationalversammlung den Antrag durch, daß die Sache Schleswigs eine Sache der ganzen deutschen Nation sei? Und rief nicht der große Dahlmann, auch ein Bruder aus dem Norden, aus Wismar: der deutschen Sache werde das Haupt abgeschlagen, wenn man bei Schleswig versäume, was gut und recht ist?
    »Wir Süddeutschen«, klagte Berthold Auerbach, »finden uns nicht darein, daß all der hohe Schwung zerstört ist, womit unsere edlen Freischaren kraft Vollmacht des Volkes den heiligen Krieg beginnen wollten. Jetzt verläuft alles so prosaisch schnöde, wie bei einem gewöhnlichen Kabinettskriege. Das Volk stand auf, der Sturm brach los, doch die königlich preußische Staatsräson will nichts davon wissen.«
    In einer Ecke plauderte der Staatschef a. D. Otto Manteuffel mit dem Schlachtenmaler Bleibtreu, dessen Kunst er zu schätzen vorgab. Der noch junge Künstler ereiferte sich mit zürnender Heftigkeit. »Wir sind nicht mehr ein versunkenes Gemeinwesen, wir müssen dem Auslande den Fehdehandschuh hinwerfen, wenn es die Einheit stört.«
    »Aber, verehrter Herr, dann wird das europäische Gleichgewicht verrückt.«
    »Verrückt ist's schon genug, Exzellenz, oder zum Verrücktwerden. Und auf dieser Verrückung oder Verrücktheit wollen wir bestehen, bis der letzte Tropfen Blutes aus deutschen Adern floß. Der Minister Bismarck weiß, was er will, und wußte, was er sagte. Mit Blut und Eisen! Jetzt

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