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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Ansprache: »Exzellenzherr sein erkahnnt. Ich bin Ungar, nit Schwob, alle Madjar sein begeihstehrt für den feschen Herrn v. Bihsmahrck. Zu Feier von Exzellenzherr Gegenwart werd'n mer spül'n ›Heul dirr imm Siggerkrahnz‹!«
    Das war a Hetz. Alle Gutgesinnten standen auf, und als Otto freundlich grüßend ging, nochmals vom Siegeskranz umheult, sprach ein bedeutender Weaner Greisler das große Wort: »Serr a bedaitender Mann!« Und da soll man in Ruhe ein Bier trinken! Dies Dasein auf der Schaubühne kann niemandem behagen, der keine Hervorrufe wünscht.
    Rechberg war leider der gleichen Meinung. Er gab zwar immer nach, aber setzte der seelischen Überwältigung einen nicht unverborgenen Trotz entgegen. »König Friedrich Wilhelm hat einst unzweideutig, als Prokesch Gesandter in Berlin war, die deutsche Kaiserkrone nur dem Hause Habsburg zugesprochen. Wissen's? Der Bericht von Prokesch an Felix Schwarzenberg liegt vor, Sie können ihn einsehen.«
    »Ich fühle kein Bedürfnis dazu«, lehnte Otto verstimmt ab. »Der hochselige König hatte romantische Schrullen und drückte sich leider am bestimmtesten und klarsten aus, wenn seine Ideen am unklarsten waren, wenigstens für andere, wenn auch nicht für ihn. Ich erinnere mich, Prokesch erzählte mal davon und wußte nicht mehr, ob der König von einer Schein- oder Schweinkrone sprach. Feine Unterscheidung!«
    »I denk', Schweinkrone wär' wohl die rechte Version«, lächelte Rechberg. »Der hohe Herr soll halt ahn kräftigen Mund g'habt hab'n, serr a feuriger Geist. Also diese Kron' wollt' er nicht annehm', denn es gäbe nur einen Kaiser, den Römischen, das natürli Haupt der Christenheit. Dem unterwührfen sich alle Fürsten, err zuerst, Österreich solle dies nur auf sich nehm'n und die römische Kron' aufsetzen. Alsdahnn hätt'n wir a Reich, das in Europa ein Wohrt mitsprechehn könneh.«
    Wenn Rechberg sprachlich österreicherte, war es ein böses Anzeichen wie bei Thun und Prokesch, doch hatte sein diplomatischer Dialekt eine sozusagen ehrlichere Aussprache.
    »Waren Sie mal in Aachen? Wohl nicht, dorthin geht man nur, wenn man was – im Halse hat, und Sie erfreuten sich ja stets einer kräftigen Stimme. Dort war ich nämlich mal in meiner Jugend und dort liegt Karl der Große beerdigt, der erste römische Kaiser, und vor dessen Grab phantasierte unser Kaiser Otto III. Ich sage ›unser‹, weil er ein Norddeutscher war, ein Niedersachse, wie wir alle. Der war noch zehnmal geistreicher und gelehrter als mein hochseliger König, und fast geradeso sehr Romantiker, nur daß er selbst ein römischer Kaiser und sehr mächtiger Herr war. Nun, der ging zugrunde, weil er die Fiktion des römischen Kaisertums festhielt, für Deutschland freilich, nicht für Österreich. Ja, sehen Sie, Österreich! Das wissen Sie wohl kaum, daß der Markgraf von Brandenburg schon früher ein großer Herr war als der Herzog von Österreich. Zur Zeit Barbarossas ist der Babenberger Jasomirgott nur groß geworden aus der Beute Heinrichs des Löwen, des Welfen, der ein großer Mann war und ganz Norddeutschland den Slawen entriß und sehr recht hatte, die Staufer zu hassen, die einem römischen Kaisertum nachliefen. Das alles ist romantischer Kohl, und Ihr Franz II. hat ja auch den Titel abgelegt. Wozu also solche Allotria aufwärmen!«
    Rechberg schwieg verlegen. Das waren ihm böhmische Dörfer. Denn welcher k. k. Staatsmann kennt deutsche Geschichte! –
    »Ach, der alte Motley!« Der lud seinen alten Jugendfreund ein, und nur der preußische Gesandte Baron Werther war anwesend.
    »Weißt du, Motley, wir wollen von alten Zeiten reden«, begann Otto das Tischgespräch beim Diner. »Können wir nicht jung miteinander sein? All heil für Göttingen! Ach Gott, du trinkst immer noch Sodawasser. Na, ich komme dir die Blume.«
    »Von ganzem Herzen. Ich bedaure sehr, daß meine Frau fern ist. Lily verfolgt deine Laufbahn mit Sorgfalt.«
    »Wohl auch mit Sorge? Ich bedauere unendlich, deine Gemahlin nicht zu treffen, da Werther so viel Schönes von ihr erzählt. Sie ist eine leidenschaftliche Republikanerin wie du. Na, da werden wir uns nie auf diesem Punkte verstehen: ich bleibe Monarchist und in gewissem Sinne Absolutist.«
    »Da gibt's viel Für und Wider.«
    »Unstreitig ... wie über Optimismus und Pessimismus. Weil ich bezüglich der Menschennatur überzeugter Pessimist bin... ich weiß warum..., sind mir alle Republiken lächerlich. Aber ich taste niemandes Überzeugung an, und du wirst

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