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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mit Dänemark pflegte.«
    »Ganz richtig,« bemerkte der englische Gesandte, »doch man konnte diesen heilsamen Einfluß nicht ausüben, weil ja nicht nur Preußen, sondern alle deutschen Staaten beteiligt. Man weiß ja aber, daß Fürst Gortschakow einen Horror vor allen deutschen Angelegenheiten hat.«
    »Man weiß warum«, fiel der spanische Gesandte lächelnd ein. »In seiner Jugend war er hier Geschäftsträger in Wien, und da hat man den kleinen Herrn nicht so respektvoll aufgenommen, wie seine hohe Würde verlangt. Er ist so empfindlich, der gute Fürst. Seither mag er alles Deutsche nicht leiden.«
    Alle lächelten, nur Otto nicht, der in unruhige Bewegung kam. »Aber, meine Herren, ich sehe nicht die Pointe. Wenn ein Russe sich von Wien nicht befriedigt fühlt, wie kann er das auf Deutschland übertragen? Für uns Deutsche ist Wien eine nichtdeutsche Stadt, und was hier geschieht, betrachten wir als im Auslande geschehen.«
    »Wie, wie? Wien liegt doch auf deutschem Bundesgebiete?«
    »Ja, aber als Hauptstadt eines slawo-madjarischen Reiches. Ich protestiere gegen jede deutsche Verantwortung für österreichische Dinge.« Er wandte sich leicht ab und maß die Umstehenden mit einem Lächeln seiner Ironie. »Ich weiß wohl, daß dies ein schlecht gewählter Ort ist für ein solches Bekenntnis. Doch die Vogelstraußpolitik ist immer unfruchtbar, man darf den Blick nicht vor Realitäten verschließen. Die Donau-Monarchie hat nur wenige reindeutsche Provinzen, alles übrige ist mit Slawen durchsetzt oder überwiegend slawisch und sonst madjarisch, auch rumänisch. Österreich sollte sich also auf seine Völkermajorität stützen und dort seine Kraft suchen, nach Osten zu, nicht aber von einer Obmacht im Westen träumen und deutscher Hegemonie nachjagen. Darauf hat es keinerlei Anrecht, und wir machen es ihm streitig. Was deutsch ist, wird sich früher oder später an Deutschland angliedern, das ist eine Rückkehr zum Natürlichen und daher unvermeidlich.«
    »Verstehe ich Sie recht?« fragte der Engländer nach einer betretenen Pause. »Reden Sie von den Deutschösterreichern?«
    Kalt und ruhig erwiderte Otto: »Glauben Sie, es sei schwerer, Wien von Berlin aus zu regieren, als Pest von Wien aus? Mich dünkt, es sollte sogar leichter sein.«
    Sensation und Schweigen. Er verließ das Fenster, man sah ihn gleich darauf unter anderen Gesprächsgruppen im Salon und hörte ihn von Rechberg sich verabschieden, fröhlich und aufgeräumt.
    »Heute ist der 25. August«, raunte der Franzose dem Spanier zu, als sie auf der staubigen Landstraße nach Wien zurückfuhren. »Das Datum merk' ich mir. Wer weiß, ob übers Jahr die jetzt vereinten Stiefbrüder sich an der Kehle haben!«
    »Wenn ich nur begriffe,« sann der Spanier nach, »was der Bismarck mit solchen Offenherzigkeiten bezweckt. Er ist doch so klug, und trotzdem verplappert er sich. Man sagt doch nicht voraus, daß man eines Tages seinen Wirt und guten Freund aus seinem eigenen Hause hinauswerfen wird.«
    »Er ist eben ein Sonderling.« Der Franzose zuckte die Achseln. »Unser Kaiser meint das auch. Zum Teil ist's wirkliche Geschwätzigkeit, er kann nichts bei sich behalten, sagt, was er denkt. Aber vielleicht ist System darin, er schüchtert durch seine redselige Offenheit ein, denn darin liegt doch ein Gefühl von Stärke, verkennen wir das nicht!« –
    Gastein, Ausee, Hallstädter See, Mondscheinfahrt, Traunsee, stete Naturkneiperei, endlich per Dampf nach Wien, Schönbrunn. Kaiserin Elisabeth, eine romantisch schöne Frau, kühl, unnahbar. Am 22. August großer Staatsrat, beide Monarchen, beide Minister. Langer, zäher Ringkampf.
    »Wir stehen auf dem Boden der Verträge, die staatsrechtliche Unabhängigkeit der Herzogtümer ist uns Richtschnur«, versicherte Otto biderb.
    »Doch hat hier überhaupt das übrige Deutschland und seine Nationalstimmung mitzureden«, parierte Rechberg.
    »Das können wir nicht so ohne weiteres zugeben. Unsere eigenen inneren Verhältnisse erlauben uns nicht, das Nationalitätenprinzip als allein gültig in den Vordergrund zu stellen.« »Das darf nicht entscheiden«, betonte der Kaiser hastig. »Wir nahmen Dänemark nach Kriegsrecht diese Provinzen ab, doch behalten uns freie Verfügung, was damit geschehen soll.«
    »Allerdings besteht keine bestimmte Verabredung zwischen uns darüber«, gestand Otto seelenruhig. Eine solche hatte er natürlich absichtlich hintertrieben.
    »Die Dinge entwickelten sich eben rascher als ich für

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