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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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neuzugründende Mittelstaat ganz von Österreich abhinge. Recht hart stießen die Geister aufeinander, als Otto vorschlug, jetzt unverzüglich die Bundestruppen der sogenannten Exekution aus Rendsburg und Kiel zu entfernen, da nur die zwei Großmächte dort Rechte haben würden. »Sie verlangen da von uns, daß wir uns mit alten Freunden überwerfen sollen.«
    »Ich denke, wir sind jetzt die nächsten Freunde. Jene Entzweiung wird sich schon reparieren, die Hannoveraner gehen übrigens ganz gern.«
    »Aber nicht die Sachsen. Ich weiß, daß Beust –«
    »Mit Napoleon unter einer Decke steckt. Sollte er Schwierigkeiten machen, so werde ich ihm damit heimleuchten. Das kann er kaum riskieren, da er doch um Popularität als deutscher Patriot buhlt.«
    Abeken und Keudell bekamen viel zu tun, auch Roon und Eulenburg trafen in Karlsbad ein, das Kolloquium mit dem Kaiser fiel nicht zu aller Zufriedenheit aus. Einen Botschaftsrat schickte Otto nach Berlin an Nanne: »Einen Gruß und einen Reuß, ich glaube den neunten.« Prinz Reuß IX. sollte als Gesandter nach Brüssel gehen, sein alter Bekannter Röder nach Kassel, dessen Tochter Jenny im Gasthaus »Drei Lerchen«, wo er wohnte, als vierte so viel trillerte, daß er zu langen Spaziergängen im regennassen Walde ausriß. Alsen! Hurra! Dieser Schluck aus dem Siegesbecher verjüngte den König zusehends, keine Heilquelle und kein Sprudel können damit wetteifern. Die Österreicher und der »zufällig« zur Kur anlangende Gortschakow schleichen darob so verdrießlich umher wie die vier Tage kalt Regenwetter, die an Otto einen schweren Katarrh bescherten. Der König reiste jetzt nach Gastein voraus, wobei viel riesige Buketts aus schönen Händen seinen Waggon schmückten, denn der galante alte Herr war ein Günstling der Damenwelt. Das konnte man just von Otto nicht sagen. Seine alte Frankfurter Freundin Stolypin beklagte sich, er sei ein rechter Bär geworden, der auf die zartesten Fragen brummig antworte. Sie hatte ihn meuchlings mit Politik überfallen, nachdem er in seinem jugendlichen Leichtsinn ihrer heimtückischen Einladung zu einer Bergpromenade folgte. Seither war sein Glaube an die Menschheit so geknickt, daß er niemand mehr traute und ins unwegsame Egertal sich flüchtete. Auf geheimem Waldespfade schleich ich gern im Abendschein ... o Lenau, wie lang sind wir getrennt, und doch kann ich's noch auswendig. Zum Lesen kommt man überhaupt nicht mehr. O Tod, ich kenn's, das ist mein Abeken ... er säuselt sanft an der Tür mit seiner Aktenmappe, und wenn er meint, ich höre ihn nicht, poltert er rauh und laut auf der Treppe. So wird's ja wohl meist im Leben sein. Nur gut, daß ich mir aus Säuseln und Poltern Abekens aussuchen kann, was mir beliebt.
    *
    Wie! Wieder mal Wien! Otto marschiert auf, sieben Mann hoch, wovon zwei Schreiber, was er in seiner malerisch ironischen Art umschrieb: »Die mich mit ihren kalligraphischen Diensten unterstützen« (22. Juli an Johanna). Er fand einen Brief vor, der ihn noch mehr als Wien an alte Tage erinnerte: vom amerikanischen Gesandten Motley! Wie sich alles so sonderbar im Leben fügt! In Erinnerung an seine Hochzeitsreise wanderte er in den Prater, den Volksgarten, wurde aber sofort erkannt. Dies Beäugeln en masse hat etwas Beklemmendes, als ob man ein Rhinozeros im zoologischen Garten wäre. Nun, man tröstet sich von dieses Lebens Unverstand beim guten Pilsener und Dreher Bier. Die Kapelle von Strauß spielte auf der Orchester-Rotunde Straußsche Walzer, doch niemand hörte zu, alle Augen gingen nach einer Richtung. »Das ihscht der Böse!« »Aber a fescher Kerl ihscht's!« »Er sieht halt abbgeahrbeitet aus, Backen und Aug'n sein eingesunken.« »Noa, aber er staht fest in seine Schuhe, der macht ka Knix und Bückling. Schauens, do steht's auf, ein Riesenkerl und's Rückgrat unverbogen.« »Und lachen kann er! Man hört's übers Orchester weg!« »Jo, der macht sich nix aus Staatsdiffikultäten, der prosperiert, das sieht man.«
    Die Wiener Presse vermerkte sehr übel den neuen Übergriff des bösen Preußen, die Bundesstaatstruppen aus Holstein hinauszuwerfen und Österreich dazu Ja und Amen sagen zu lassen. Doch gerade seine Unpopularität machte den norddeutschen Hünen »aus'm Reich« bei den Wienern populär. Das erlebte Otto bei späterem Besuch im Volksgarten. Der Kapellmeister sprang plötzlich ans Podium vor, es war eine Militärbande mit engen ungarischen Hosen und Schnurrbärten und hielt eine öffentliche

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