Bismarck 02
einen heimlichen Seitenblick auf Moltke, der leicht die Stirn runzelte. Schon witterte er die Eifersüchtelei der Ressorts.
»Das versteht sich von selber«, sagte der König arglos. »Nun, die Dinge im Westen liegen zu klar. Dank unserer überlegenen Mobilisierung sind uns dort und auch in Sachsen reiche Vorräte in die Hände gefallen, und wir können fortan all diese Länder – Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen, Sachsen – für Kriegswirtschaft ausnutzen. Was mich besonders erhebt, ist die Haltung der Bevölkerungen im Norden und Westen, die keinerlei feindselige Gesinnung gegen Preußen ausdrückten. In Hannover hatte ja sogar eine Adresse der Bürgerschaft den König beschworen, sich lieber Preußen anzuschließen.
»Was mich am meisten erhebt«, fiel Bismarck ein, »ist Eurer Majestät tiefe Einsicht in die wahren Untergründe dieses Nationalkrieges. Tatsächlich haben wir jetzt schon ganz Norddeutschland vereint in der Hand. Die sächsischen, mecklenburgischen, lippeschen Fürstentümer und die Hansastädte stellen vertragsmäßig jetzt ihr Kontingent zu unseren Fahnen. Übrigens erkenne ich dankbar an, daß Herzog Ernst von Koburg, dessen Regiment ja schon bei Langensalza rühmlich focht, diplomatisch uns in den Verhandlungen mit König Georg wertvolle Dienste leistete.«
Von welfischer Seite behauptete man später, daß Otto und Herzog Ernst dabei krumme Wege nicht gescheut und die Verhandlungen mit absichtlicher Täuschung bis zur Unvermeidlichkeit der Kapitulation hingezogen hätten. Etwas Wahres ist daran, aber man darf nicht vergessen, daß die fortwährenden Schwankungen des unglücklichen Blinden und das allzu großmütige Fühlen des Königs Wilhelm, das Otto anfangs die Hände band, ihn dazu zwangen, den Winkelzügen der hannoverschen Unterhändler, die ihrerseits auf bayrische Hilfe lauerten, mit gleicher Münze zu dienen.
»Was nun die Gefechte in Böhmen betrifft«, fuhr der König fort, »so wäre mir lieb, Genaues über die Verluste zu erfahren, da sich danach der Erfolg abschätzen läßt.«
»Damit kann ich Eurer Majestät dienen.« Moltke zog ein Notizbuch zu Rate. »Allenthalben hat unsere überlegene Bewaffnung und Fechtweise den Verlust des Gegners unverhältnismäßig erhöht und ihn so erschüttert, daß übermäßig viel Gefangene in unseren Händen blieben. Übrigens trat ein solches Mißverhältnis sogar bei Langensalza zutage, wo unsere Landwehren doch noch gar nicht mit dem Zündnadelgewehr bewaffnet und die Feinde an Zahl wie 20:8 waren. Selbst hier verloren wir nur 850, die Hannoveraner rund 1300. In Böhmen ergaben sich folgende Ziffern. Podol: das I. böhmische Korps Chlam, vornehmlich die berühmte ›eiserne‹ Brigade Poschacher, von Brigade Bose über die Iser geworfen, wobei nur vier Thüringer Bataillone und eine Kompagnie Jäger fochten. Verlust 130, österreichischer mindestens über 1000, wovon über 500 Gefangene. 27. Juni. Trautenau: Das X. Korps Gablentz fast völlig eingesetzt, unsererseits tadelnswerte Gefechtsleitung und zu weite Entfernung der Artillerie. Verlust unserer Ostpreußen, hauptsächlich Regimenter 4, 43, 44, rund 1350, dabei ein Oberst, zwei Oberstleutnants, fünf Majore tot und verwundet. Der Gegner soll 5800 nach ungefährer Schätzung eingebüßt haben. Daß unsere Truppen sich trotz alldem überlegen schlugen, beweist schon der Umstand, daß wie gemeldet wird, die Fahne des II. Bataillons Regiment Bamberg nur durch Aufopferung eines k. k. Oberleutnants gerettet wurde. Regiment Airoldi soll vernichtet sein. Die Einwohnerschaft von Trautenau beteiligte sich heimtückisch am Kampfe, die Rädelsführer erwartet dafür das Kriegsgericht.«
»So etwas ist besonders gräßlich!« klagte der König.
»Nachod: IV. Korps Ramming und Kürassierdivision Prinz Holstein gegen Korps Steinmetz. Die Österreicher fochten sehr brav, die Unseren unter bedeutenden Schwierigkeiten beim Überschreiten des Plateaudefilees. Erstere verloren wahrscheinlich 7500, wovon über 2000 unverwundete Gefangene, letztere über 1100, wobei zwei Generale, ein Oberst, ein Oberstleutnant, vier Majore tot und verwundet. Unsere schlesisch-westpreußische Kavallerie warf die österreichische völlig und nahm ihr zwei Standarten ab. Außerdem nahmen wir acht Geschütze. Die Obersten der Infanterieregimenter Gondrecourt und Kronprinz von Preußen fielen verwundet in Gefangenschaft, das berühmte Regiment Deutschmeister soll sehr gelitten haben und verlor eine Fahne. Am 28.
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