Bismarck 02
anderen weit zurück am Josefstädter Plateau auf dem Flecke stampfte und dann nur drei isolierte andere Korps viel zu spät gegen unsere zweite Armee vorstieß, könnte doch nur zu Teilniederlagen führen. So geschah es auch. Die Trennung unserer Armeen besteht schon jetzt kaum mehr. Eure Majestät haben Vereinung aller Kräfte auf Gitschin befohlen und die Ausführung steht in den nächsten Tagen bevor.« Die Fiktion, daß der König die strategischen Schachzüge befehle, wurde dienstlich durchweg festgehalten, jede Direktive Moltkes begann: Seine Majestät befehlen, was im Interesse des Dienstes schon deshalb geboten schien, um die sonst nicht unbedingt vorauszusetzende Unterordnung der verschiedenen Armeeführer zu erzwingen.
»Ich wünschte gern ein Resümee der einzelnen Aktionen«, forschte der König, der natürlich mit Sachverständnis die kriegerische Entwicklung verfolgte und oft die Karte zu Rate zog.
»Zu Befehl. Im Westen besitzen wir also so gut wie alles Land bis zur Mainlinie. Die Bayern stehen tatlos bei Bamberg, die übrigen bei Frankfurt. Es wird die Aufgabe des Generals Vogel v. Falckenstein sein, sie dauernd zu trennen und auf der inneren Linie zu operieren.«
»Es kam mir zu Ohren, daß sowohl Sie als Graf Bismarck keine günstige Meinung über diesen Heerführer haben. Er hat doch eine glänzende militärische Turnüre.«
Moltke lächelte nur inwendig. Er selbst sah gewissermaßen wie ein Schulmeister aus und hatte nicht das geringste an sich, was naiven Begriffen von martialischen Bramarbassen entspricht. Zwar deckte sich seine hohe überschlanke Gestalt nicht mit dem wahren historischen Bilder berühmter Feldherren (Napoleon, Friedrich der Große, Erzherzog Karl, Wellington, Nelson, Karl XII., Prinz Eugen von Savoyen, Bülow v. Dennevitz, Massena usw.), die sämtlich sehr klein und schmächtig oder höchstens mittelgroß und in manchen Fällen (Torstenson, Wallenstein usw.) sehr kränklich waren. Dies seltsame physische Gesetz, das wahrscheinlich auf der feurigen Nervosität und dem völligen Überwiegen des Gehirnlebens bei Feldherrnnaturen beruht (auch Moltkes eigentlicher Vorläufer im Generalstabsfach, Marschall Berthier, war ein kleiner untersetzter Mann), konnte in der hochgewachsenen norddeutschen Rasse kaum in die Erscheinung treten. Immerhin stellten der ruhmvolle Stabschef des Kronprinzen, der kleine schmächtige Blumenthal, und der hagere bebrillte Goeben einen solchen Typus dar, und im Zivil würde niemand den großen Kriegslehrer Moltke für einen Militär gehalten haben. Sein bleiches, scharfgeschnittenes Gesicht mit den weitgeöffneten Augen, die übrigens etwas Geisterhaftes hatten, verriet allerdings für jeden Verstehenden den Organisator des Sieges, den Kriegsindustriellen, der eine Armee leitete wie eine Kruppsche Fabrik, den Kriegswissenschaftler größten Stils. Die großen Kriegs künstler (Napoleon, Friedrich der Große, Hannibal) haben ein anderes Temperament, aber es wäre unziemlich zu leugnen, daß der dämonische Vernichtungstrieb, die feindliche Masse zu zerreiben, auch diesem anscheinend so kühlen und temperamentlosen Feldherrn innewohnte.
Am liebsten hätte er auf des Königs Frage den ungerechten Ausspruch Napoleons über Wellington zitiert: Er ist nur Soldat, er hat keinen Geist. Er begnügte sich jedoch zu erwidern: »General v. Falckenstein ist ein recht guter Militär, aber von seiner Wichtigkeit zu sehr durchdrungen und vielleicht nicht angemessen für größere Operation begabt. Wir werden ja sehen. Um so mehr verspreche ich mir von seinem Untergebenen, dem General v. Goeben.«
»Das freut mich sehr zu hören«, sagte der König lebhaft. Mit seinem nie irrenden wunderbaren Instinkt hatte er für diesen kränklichen Brillenträger eine Vorliebe. »Wenn ich Ihre Andeutung recht verstehe, läßt es der General v. Falckenstein an der nötigen strengen Subordination fehlen? Das werde ich niemals dulden.«
»Eure Majestät berühren den wunden Punkt«, fiel Otto ein. »In den ziemlich verwickelten Verhandlungen über die Kapitulation, wozu König Georgs schwankendes Hin und Her und seine Winkelzüge Anlaß gaben, hatte die Politik ein entscheidendes Wort. Ich fand jedoch bei General v. Falckenstein dafür kein Verständnis. Ich möchte überhaupt bemerken, daß laut Clausewitz der Krieg nur Fortsetzung der Politik sein soll und daß daher in allen Fragen, die auf das politische Endziel hinauslaufen, der Staatsmann den Vortritt haben muß.« Er warf
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