Bismarck 02
nichts als Steinmetz vor sich nebst einem Detachement vom schlesischen Korps, das nur durch die Garde unterstützt werden konnte. Man hatte die Armee des Kronprinzen sehr viel stärker gemacht als die des Prinzen Friedrich Karl, nicht bloß aus dynastischen Gründen, sondern weil der König eine hohe Meinung von General Blumenthal hatte, ein neuer schlagender Beweis seiner geradezu genialen Erkenntnis für Menschen und Dinge. Aber Bonin hatte bei Trautenau die Dinge so verfahren, daß die kronprinzliche Armee noch immer nicht ihre richtige Stärke entfalten konnte. Und so sah sich denn Moltke genötigt, in seiner Direktive vom 29. früh zugegeben, daß der Kronprinz sich in schwieriger Lage befinde.
Etwas anderes, während alle solche Gedanken ihm durch den Kopf gingen, schnitt Otto in Reichenberg an. »Wie stark ist die hiesige Besatzung?«
»Hier? Das spielt doch gar keine Rolle. Etwa 1800 Trainsoldaten.«
»Nur mit alten Vorladern bewaffnet, ganz recht. Nur wenig entfernt bei Leitmeritz streift die sächsische Kavallerie. Der Telegraph hat schon ausgesagt, daß wir in Reichenberg Quartier haben. Man kann hier das Hauptquartier aufheben und, was noch wichtiger, den König. Ich erlaube mir, dies zu betonen.«
»Mein Gott, so mögen die Trainsoldaten nach dem Schloß abrücken, wo Seine Majestät sich aufhält,« schlug der Major Verdy du Vernois vor, ein Vertrauter Moltkes. »Dies Bangen für die persönliche Sicherheit ist übertrieben, es droht keine Gefahr.«
»Da ich nicht für mich fürchte«, erwiderte Otto aufgebracht, »so werde ich nicht im Schlosse, sondern in der Stadt Quartier nehmen.« Das kann gut werden! dachte er. Die Herren Militärs werden bei jeder Gelegenheit verstimmt, als ob ich in ihr Ressort übergriffe, sobald ich nur den Mund öffne, und platzen vor Eifersucht, als ob ich meine Stellung zum König zu steter Einmischung ausnutzen wolle. Nichts liegt mir ferner, doch man wird wohl noch sein eigenes Urteil haben dürfen.
Am 1. Juli in Schloß Sichrow dachte er daran, daß er den Besitzer, Fürst Rohan, jährlich in Gastein sah. Wie doch solch ein Krieg die Beziehungen ändert! Der König war heiter und guten Mutes, da die Fama, wie es zu geschehen pflegt, die Erfolge noch vergrößerte. »Zwei ihrer Korps sind ganz zersprengt, die Österreicher retirieren fortwährend, werden sich wohl erst bei Olmütz wieder setzen«, teilte er mit. »Nur unsere Verwundeten trüben mir die Freude! Die armen unschuldigen Menschen, die für König und Vaterland so treu ihr Blut vergießen! Der Jammer in den Spitälern!« Nach einem Rundgang durch die Lazarette bestellte Otto eiligst viele tausend Stück Zigarren und mehrere Dutzend Kreuzzeitungs-Abonnements. Solche geistige Nahrung schien ihm vorsichtshalber am bekömmlichsten, da man nicht wissen konnte, wie die liberalen Blätter sich verhielten. Rückten doch die Reservisten und Landwehren mißmutig genug in den sogenannten Bruderkrieg. Den verschiedensten Beobachtern fiel die verdrossene Haltung der Truppen beim Einmarsch auf. So schrieb es Blumenthal in sein Tagebuch. So berichtete der Schlachtenmaler Bleibtreu, im Stabe Friedrich Karls anwesend, zu Anfang, als er mit den Truppen sprach. Dagegen versicherte er in Gitschin dem Grafen Eberhard Stolberg, Bismarcks Freund, jetzt Chef des freiwilligen Sanitätswesens, mit dem er im Quartier lag und eine Art patriotischer Verbrüderung von Konservativ und Liberal unter großer gegenseitiger Begeisterung feierte: »Gottlob, der Bann ist gebrochen. Unsere herrlichen Haketauer haben erprobt, was für ›deutsche Brüder‹ das sind, Slowaken, Panduren, Tschechen, Heiducken. Als die Lichtensteinhusaren mit Geheul anritten, schrien unsere: Is nich! Haut ihm! Und wo die endlosen Gefangenenzüge vorübertrotteten und ihr slawisches Kauderwelsch parlieren, lachen unsere Leute geringschätzig und blicken auf sie herab. Schade, daß man hier auch mit Regiment Deutschmeister zusammenstieß und ihm eine Fahne abnahm! Das waren nun wirklich deutsche Brüder, Wiener Jungens, und auch ein Feldjägerbataillon. Doch die zeigten so verbissenen Preußenhaß, wie sie ihn schwerlich gegen Franzosen und Russen hätten, und da verging den Unseren auch die Geduld und die Stammesbrüderschaft endete damit, daß sie die Kaiserlichen windelweich durchkeilten.«
Und wieviel Gezeter über den Bruderkrieg hatte Bismarck noch in Berlin hören müssen! Die Königin zerfloß in Tränen, benahm sich aber nachher höchst würdig und
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