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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Feindschaft umherschlich, wagte sich nicht ans Licht. Jetzt zum erstenmal in seinem langen mühevollen Leben hörte der Wiederaufrichter Preußens, der schon um ein Jahr das 50. Lebensjahr überschritt, den begeisterten Zuruf einer bewegten Volksmasse. Wer in Berlin hätte je geglaubt, daß die antikönigliche Hauptstadt, die Hochburg der Demokraten, den Heilruf hören werde, der überall gen Himmel stieg: »Hoch Bismarck, hoch, hoch, hoch!« Er seufzte leicht. Berlin war nicht Deutschland. Doch ein gut Stück Weges war gewonnen. Und vielleicht kam einst die Stunde, wo die ganze Nation rufen würde: Heil dem Retter Deutschlands!
    »Ich kehre nie heim in einem geschlagenen Heere. Beim letzten Angriff falle ich, man stirbt nur einmal, sterben ist leichter als geschlagen werden!« verabschiedete er sich ernst vom englischen Gesandten. Der edle Lord dachte, daß man sich um deutsche Bagatellen doch nicht so viel aufregen solle. –
    Auf der Fahrt zum Kriegsschauplatz nach Böhmen hatte natürlich Moltke das Wort und trat in den Vordergrund. Der alte Herr, mit Jahrhundertbeginn geboren, stand im sechsundsechzigsten Lebensjahre. Eine seltsame Schicksalsfügung, die jedem auffiel, der daran dachte. 66! Das Schicksalsjahr und der Mann, das Jahrhundert und der Führer! Bisher völlig unbekannt, außer in den höchsten Kreisen der Armee, nur vom König, der ihn entdeckte, von Bismarck und Roon gewürdigt, stand der Greis plötzlich in weltgeschichtlicher Glorie da. Denn daß der blitzschnelle Aufmarsch, das pünktliche Vordringen der getrennten Heere auf allen Grenzlinien, die Leitung des Ganzen auf beiden Teilen des gewaltigen Feldzuges im Westen und Südosten sein Werk sei, das verbreitete sich jetzt schon bei allen Heeresstäben, nicht aber bei den einzelnen Korps- und Divisionschefs, für welche Prinz Friedrich Karl der eigentliche Feldherr galt.
    »Sie müssen eine hohe Befriedigung empfinden,« bemerkte Roon achtungsvoll.
    »Und Sie auch. Denn daß die Armee ein so scharfgeschliffenes Schwert ist, das verdankt man Ihnen.«
    Otto sann betroffen über diesen Wechsel nach, hier war einer, noch 15 Jahre älter als er, noch viel unbekannter durchs Leben gegangen, und nun plötzlich über Nacht in seiner Bedeutung erkannt. Ach, in Deutschland muß man das Talent haben, alt zu werden! hat ein anderer Großer gesagt, der auch erst jetzt eine zweifelhafte Berühmtheit errang und noch als Fünfziger nicht gewußt hatte, wohin sein Haupt legen. In Bayern saß jetzt bald der zweite Ludwig auf dem Throne, der an Ottos Sehwinkel so flüchtig als Kronprinz vorüberhuschte, und huldigte dem Meister der Töne, der einzigen erstrangigen Kunsterscheinung seit Goethes Tode. Es war, als ob die vulkanische Erschütterung des 48er Frühlings allenthalben in deutschen Gauen die Erde gelockert habe für überreiche Saat, die langsam reifend im blendenden Flor stand. Denn auch in den Wissenschaften sah sich das Geschlecht der Ehrenberg, Mitzscherlich, Raumer, Riebuhr, Gervinus, Dahlmann, unter dem der einzige Geniale, Robert Mayer, spurlos und verkannt durchs Leben schritt und der uralte Humboldt doch schon einer früheren Goetheschen Periode angehörte, durch weit Bedeutendere abgelöst, an deren Spitze der unsterbliche Helmholtz und in anderer Sphäre Ranke standen. Und alles alte Herren, alle in einem Alter, wo sonst bei gewöhnlichen Menschen jede Spannkraft erlahmt und jede Tätigkeit versiegt. Bei diesem Geschlecht von deutschen Greisen, die sich um einen weißbärtigen König gruppierten, wuchsen Schaffenslust und Schaffensmacht mit dem Alter, wie sie alle erst als betagte Reife ihre Namen der weiten Welt eingruben.
    Moltke hielt einen längeren klaren Vortrag im Salonwagen des Königs. »Der Ausfall mit Italien kam nicht unerwartet, immerhin bleibt es eine merkliche Einbuße an Kraft. Die italienische Armee ist auf zwei Wochen lahmgelegt und wird wohl überhaupt nichts mehr leisten. Freilich wäre die Niederlage nicht so arg geworden, wenn nicht überraschenderweise der Erzherzog Albrecht sich als ein wirklicher Feldherr entpuppt hätte. Als Sohn des Erzherzogs Karl führt er dessen strategische Prinzipien mit entschieden mehr Entschlossenheit aus, als jenem zu Gebote stand. Wir können uns Glück wünschen, daß wir nicht ihn in Böhmen gegenüber haben.«
    »Sie halten also nichts von Benedek?« fragte der König.
    »Nach bisherigem kann ich unmöglich anders denken. Sein Vorschieben von nur drei Korps an die Grenze, indes er mit acht

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