Bismarck 02
bringen lassen, und berichtete dem König begeistert über seine Truppen bei Gitschin. Nähere Details und Aussagen von Gefangenen trafen ein, infolgedessen Moltke feststellte:
»Divisionen Tümpling und Werder gegen Chlam-Gallas und Sachsen nebst Kavalleriedivision Edelsheim. Unsere Brandenburger verloren etwa 1000, die Pommern 500. Die fünf österreichischen Brigaden, bei denen Ringelsheim und Piret vornehmlich gelitten zu haben scheinen, ließen 3300 Gefangene in unseren Händen, können aber schwerlich unter 6000 verloren haben. Die Sachsen brachten nur zwei Brigaden spärlich ins Feuer, können höchstens um 600 gelichtet sein. Von etwa 60 000 Feinden verwendete man nur 40 000 gegen unsere 24 000 Gewehre. Ein neuer Beweis unserer taktischen Überlegenheit.« Woran er übrigens herzlich unschuldig war. Er hatte höchst meisterhaft die Mobilisierung und den Aufmarsch geleitet, die taktischen Erfolge kamen jedoch einzig aufs Konto der Armeeführungen. (Die Zahlenangaben, wie sie nachher in seinem eigenen Generalstabswerk auftraten, übertrieben beiläufig etwas. Denn bei Nachod verloren die Österreicher nur 5700, wovon 2000 Gefangene, bei Skalitz 5600, wovon 2300 Gefangene, bei Gitschin 5500, wovon 2500 Gefangene, bei Trautenau 4800. Dafür wurde umgekehrt Benedeks Macht in der Hauptschlacht um 9000 zu niedrig geschätzt. Solche Irrtümer lassen sich nicht vermeiden, es bleibt nur bedauerlich, daß sie einmal amtlich festgelegt, sich einwurzeln, bis ein Kriegshistoriker sie ruhig den anderen nachschreibt. Jede Partei schreibt ihre eigene Kriegsgeschichte, und ein Forscher, der hineinkorrigiert, hat die unangenehmste Aufgabe, da das Publikum, unmündig wie immer, nur den sogenannten Berufenen glaubt, nämlich den amtlichen Legendenschmieden, deren Unfehlbarkeit meist auf Unwissenheit fußt.)
»Der alte Steinmetz hat sich besonders mit Ruhm bedeckt«, urteilte der König. Und das war auch wirklich so, man hat es später vergessen. Die taktische Leitung bei Nachod, Skalitz, Schweinschädel war mustergültig, während das ostpreußische und Gardekorps sehr ungenügend geführt wurden. Das glänzende Gefecht bei Soor verdeckte nachher, daß die Garde weder bei Trautenau noch bei Nachod eingriff, wie sie gekonnt hätte. General v. Blumenthal war wenig davon erbaut. Im preußischen Heere bürgerte sich noch nicht der unbedingte Gehorsam gegen den Chef des Armee-Generalstabes ein, obschon hier sogar der Name des Kronprinzen deckte. Bei Friedrich Karl hingegen gehorchte alles und tat das äußerste, weil man an sein Feldherrntum glaubte. Das Treffen von Gitschin bot den schlagendsten Beweis. Die Erfolge der II. Armee, daß sie so außerordentlich weit vorkam in bedrohliche Flankennähe des Feindes, waren taktisch nur Steinmetz zu verdanken, da der Marsch durchs Gebirge notwendig Stockungen verursachte, die der mit Moltke sehr unzufriedene Blumenthal voraussah. Steinmetz zeigte sich hier als einer der besten Korpschefs, die je gelebt. Die ganze Entschlußkraft und Zähigkeit dieses ausgezeichneten Generals zeigte sich darin, daß eine heftige Kanonade des frischen II. Korps Thun ihn nicht bewog, sein Biwak zu verlegen, obschon ein Gebäude, wo er selbst Quartier nahm, in Flammen aufging. Seine Artillerie antwortete mit gleicher Entschlossenheit. Ohne das unerschütterliche Festhalten des tapferen Greises hätte Blumenthal die neuen merkwürdigen Direktiven Moltkes überhaupt nicht ausführen können. So unglaublich es klingen mag, muß man Moltke in diesem Feldzug den Stempel eines ideologischen Phantasten aufdrücken. Denn nur bei größtmöglichster Leistung der Unterfeldherren bis zu den einzelnen Korpschefs herunter konnten seine Ideen möglich werden. Ja, Friedrich Karl, Blumenthal und der Korpschef Steinmetz, er täuschte sich nicht. Aber wußte er das? Erst wägen, dann wagen – und wenn Benedek zufällig ein Feldherr war? Setzten doch die naiven antipreußischen Zeitungsschreiber damals der »affenartigen Geschwindigkeit« der Preußen einen geheimnisvollen Plan Benedeks entgegen, der ursprünglich auch bestand und nur an seiner mangelnden Entschlossenheit scheiterte. Denn die furchtbare Überlegenheit des preußischen Gewehrs, die Moltke natürlich mit in sein Kalkül bezog, hob die Möglichkeit, ja Sicherheit schwerer Teilniederlagen nicht auf, wenn die ursprüngliche numerische Übermacht Benedeks die strategische Gunst der Lage benutzte und er auf vereinzelte Korps fiel. Noch am letzten Junitage hatte er
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