Bismarck 02
einer verschwindenden Gruppe von Unentwegten, unter denen sich der alte jüdische Revolutionär Jacoby unnütz machte, gingen die Fortschrittlichen meist unter Präsidentschaft des Westfalen Max v. Forckenbeck, eines klugen, bedächtigen, blonden Urdeutschen, in eine nationalliberale Partei über, deren Führer, der Hannoveraner v. Bennigsen, und ein jüdischer vormaliger Radikaler, Lasker, zur Regierung hielten.
Jetzt ging es schneidig vorwärts. Am 1. Februar versammelten sich die Bevollmächtigten der Norddeutschen Bundeskonferenz zu einem Abschiedsdiner. Die Ministerialdirektoren Delbrück und v. Philippsborn, die Geheimen Legationsräte Koenig und v. Keudell, Oberpostdirektor Stephan und der sächsische Kriegsminister v. Fabrice waren auch geladen. Gegen Ende des Diners erschien Otto. »Im Auftrage Seiner Majestät des Königs begrüße ich diese hohe Versammlung. Sie hat ihre Aufgabe so rühmlich erfüllt, daß sie auf ein besonderes Hoch verzichten darf. Ich erhebe mein Glas zum Wohle auf die deutschen Fürsten und freien Städte und vor allem auf das deutsche Volk.« Als Ende Februar der Reichstag des Norddeutschen Bundes eröffnet wurde, folgten in rascher Folge die gesetzgeberischen Taten. Schon aber hatte der künftige Kanzler des Bundes sein Auge fest auf den unberufenen Vermittler zu richten, den ein deutscher Professor mit Gustav Adolf als Beschützer deutscher Libertät verglich! So tief sanken die ehrlichen und unehrlichen Querköpfe der Fortschrittlerei in ihrer wahnwitzigen Mißgunst gegen den Mann, der doch sicher einen Teil ihrer angeblichen Ideale erfüllte und seine Mittel fast revolutionärer wählte als sie je geträumt. Auch Preußens kleinere Nachbarn fingen an, grundlos vor angeblicher Eroberungssucht zu zittern. Früher in Frankfurt hatte die Königin von Holland, württembergische Prinzessin, geflissentlich Preußenfreundschaft zur Schau getragen und den Gesandten Bismarck begönnert, wenn sie bei ihrem Vertreter Scherff »für Luxemburg« abstieg. Jetzt schwenkte sie völlig herum und sandte schon während der Nikolsburger Tage einen Warn- und Hetzruf an Napoleon, er dürfe ein mächtiges Deutschland nicht dulden. Plötzlich entnahm die staunende Welt einer Rede Rouhers gegen Thiers Mitte März, Preußen hege böse Absichten gegen Holland und wolle sich an der Zuydersee festsetzen. Otto lachte. »Zuydersee und dabei noch orthographisch richtig geschrieben in der Presse! Solche geographische Entdeckung ist bei Franzosen unmöglich. Beihilfe der Königin!« Und jetzt kam auf einmal die Luxemburger Frage herangeschritten.
Seiner Bevölkerung nach urdeutsch – gab es doch einst Kaiser vom Hause Luxemburg! – und unter Hollands Obhut dem deutschen Bunde angehörig, schien das Grenzländchen zwar jetzt mit Holland vom neuen Deutschland ausgeschlossen, hatte aber noch immer preußische Festungsbesatzung. Auf einmal entdeckte Frankreich, daß dies eine Bedrohung sei und wollte dem König von Holland, der jeden Beitritt zum Norddeutschen Bund ablehnte, das Herzogtum abkaufen. Der war dazu bereit. Im gesetzgebenden Körper kreischte seit dem 14. März Herr Thiers seinen patriotischen Ärger über die deutsche Einheit aus, wobei er freilich absichtlich Otto ein großes Kompliment zollte.
»Er zitiert Bossuet über Cromwell, daß endlich ein wahrer Mann ans Licht getreten sei.« Keudell verwies auf einen Bericht im Moniteur. »Da hätte er ebenso gut Napoleon über Goethe zitieren können: Voilà un homme!«
»Vergleich mit Goethe liegt wohl fern,« lächelte Otto, »doch ich vernehme, der interessante schrullenhafte Carlyle vergleicht mich mit seinem Cromwell, soweit unser armseliges Zeitalter dies gestatte. Wenn doch solche Historiker unterlassen wollten, den Geist der Zeiten zu interpretieren, der doch nur der Herren eigener Geist! Doch was mich weit mehr interessiert als dies Lob meines alten Bekannten Thiers, das natürlich nur warnen und aufhetzen soll, das ist die Heimlichkeit der Affäre. Bemerken Sie aus dem Berichte der Sitzung, daß der politische Direktor des Auswärtigen Amtes, Herr Desprez, erst durch Interpellation selber davon erfuhr? Mein alter Bekannter de Moustier, jetzt Minister des Auswärtigen, soll persönlich Briefe und Depeschen nach dem Haag chiffriert und dechiffriert haben, sein Gesandter Baudin im Haag war der einzige Mitwisser.«
»Holland willigt also ein. Was wird unser Gegenzug sein?«
»Sofortige Veröffentlichung der Geheimverträge mit den Süddeutschen.
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