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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verletzung der unermeßlichen nationalen Eitelkeit, teilweise des berechtigten Nationalstolzes.«
    »Aber jede Organisation fehlt im Verhältnis zu der unseren.«
    »Stimmt auffallend. Nur müssen wir dann erst auf alle annektierten Länder und auch auf die Süddeutschen die allgemeine Wehrpflicht übertragen haben. Jedes Jahr stärkt uns um 100 000 gediente Soldaten. Wie sich die Truppenziffer Frankreichs im Ernstfalle stellt, weiß man nicht. Vielleicht überschätze ich vieles. Jedenfalls kann man für solchen Krieg nie stark genug sein. Wir müssen ihn also hinausschieben solange wir können.«
    »Auch auf Kosten der nationalen Ehre bei Herausforderung?«
    »Gewiß nicht. Das eben muß die Kunst sein, beides zu vermeiden, sowohl den Krieg als Verminderung des Ansehens.«
    »Die Wogen nationaler Gesinnung gehen heute hoch in Deutschland und besonders in Norddeutschland.«
    »Wie nach jedem großen Erfolge. Die Leute glauben, weil wir Österreich in sieben Tagen zerschmetterten, es werde mit Frankreich ebenso gehen. Da rechne ich eher auf sieben Monate. Auch ist Rußlands Haltung zweifelhaft, noch unsicherer die Italiens. Abgesehen von Viktor Emanuels persönlicher Freundschaft für Napoleon, beherrscht die öffentliche Meinung die fixe Idee von Schwesterschaft der sogenannten lateinischen Rasse, als ob die Gallier irgendwie der deutsch durchsetzten und ohnehin fremden italienischen Mischrasse verwandt wären. In Österreich werden die Schwarzgelben in das Pariser Geschrei einstimmen: Vergeltung für Sadowa! Die Wunde muß dort erst verharschen. Das braucht Zeit.«
    »Würde Rußland nicht Österreich in Schach halten?«
    »Unter Gortschakow zweifelhaft. Erst wenn wir sehr bedrängt würden, d. h. unser Wein wesentlich verdünnt wäre, könnte man dort ein Einschreiten aus sonstigen politischen Gründen erwarten.«
    »England zeigt sich jetzt sehr wohlwollend.«
    »Sie meinen die englische Presse. Man braucht eine kontinentale Kriegsmacht gegen Frankreich und da kommt's aufs gleiche heraus, ob es Preußen oder, wie früher, Österreich ist. Man kann aber auch für Entente cordiale mit Frankreich optieren. Jedenfalls würde platonische Liebe uns nicht um einen Strohhalm verstärken. Dagegen erstarken wir durch innere Einigkeit so, daß das Ausland sich länger besinnen wird, seine Finger in unsere Pastete zu stecken. Wenn eine Omelette gebacken wird, muß man Eier zerbrechen. Ich werde daher dem kleinstädtischen Liberalismus, für den alle großen nationalen Erwägungen in den Wind geredet sind, so weit wie möglich entgegenkommen.«
    »Auch im allgemeinen geheimen Wahlrecht, einem so revolutionären Prinzip?«
    »Selbst hier. Ich wünsche das allgemeine öffentliche Wahlrecht als das gesundeste Prinzip. Doch wenn die Kerle obstinat bleiben, beuge ich mich der Force Majeure , nur daß um Gottes willen kein neuer Zwiespalt entsteht, der das Ausland ermutigen könnte. Das allein ist Realpolitik, auch jede persönliche Überzeugung, nicht nur Liebhaberei, dem wahren Gemeinwohl zu opfern. Die deutsche Einheit geht mir weit über jede andere persönliche Neigung. Ich allein fühle mich verantwortlich für Größe und Glück dieser großen Nation, und ich will ihr alles opfern.«
    Es lag so viel Erhabenheit in den schlichten Worten, daß Keudell sich versucht fühlte, dem Großen die Hand zu küssen.
    »Ich bin ganz wiederhergestellt«, versicherte er der sorgenvollen Gattin. »Und wär' ichs nicht, was hilft's! Hoffart muß Pein leiden, man ist nicht umsonst Ministerpräsident, und Deutschland fragt nicht danach, ob ich leide oder nicht, es verlangt von mir meinen Dienst. Und wenn ich mich aufriebe in Deutschlands Dienst, so wär' das auch ein schlichter Heldentod, obschon ohne Bumbum und Trara. Doch keine Bange, ich bin wieder ganz auf dem Posten, und die Jagden vollenden meine Kur.«
    Politische Mißstimmung trug er in die Wälder hinaus und oft genug jubelten die Jagdgäste von Putbus: »Ein Kapitalschuß.« Im Jagdschloße hingen nachher genug Trophäen von Hirschgeweihen: »Erlegt vom Ministerpräsidenten Graf Bismarck.« Doch sein Ruhm drang noch nicht weit in die Lande, denn ein Kutscher, als er wegen Regenwolken einzusteigen zögerte, tröstete ihn: »Stieg'n Sei man in, ick ham all ganz anner Lüd führt als Sei sünd, Uhlensberg und Mandüweln.« Ja freilich, Eulenburg und Manteuffel lebten als große Namen im preußischen Volke.
    Am 1. Dezember reiste ein kerngesunder Recke nach Berlin zurück.
    *
    Außer

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