Bismarck 02
englisch, teils deutsch seinen Shakespeare zitierend: wie er atemlos und erschöpft nach der gewonnenen Schlacht belästigt werde »with a popinjay« . Doch im ganzen bestallte ihn der Landtag immerhin vertrauensvoll als Reitlehrer für das in den Sattel gesetzte Deutschland. Groß war das Staunen der Kritteler, als am 18. März plötzlich die Geheimverträge mit den Südstaaten veröffentlicht wurden, Antwort auf erneutes Herumschleichen des welschen Einbrechers, der seine Strickleiter unversehens an Luxemburg ansetzte.
Der Eindruck war auch in Rußland nachhaltig, aber nicht günstig. »Ce diable de Bismarck!« murmelte Gortschakow ergrimmt, neidisch und in persönlicher Eitelkeit verletzt, weil sein angeblicher Schüler so ganz den Meister zeigte. »Ich erinnere Eure Majestät daran,« so ungefähr hielt er dem Zaren Vortrag, »daß Preußen vor vier Jahren unseren Antrag, Österreich mit Krieg zu überziehen und Frankreich entgegenzutreten, rund ablehnte. Im Bunde mit uns hätte der König seine Revolutionspartei abschütteln können, doch es scheint, daß dynastische Motive dort nicht mehr verfangen. Die ganze Politik Herrn v. Bismarcks – sonst ein Trefflicher, von Eurer Majestät Gnade mit Recht geschätzt und mein persönlicher lieber Freund – ist einfach revolutionär. Er gibt den Radikalen nach, wo er kann, und entzündet eine allgemeine Revolutionsstimmung in Deutschland, die er unter der Flagge ›deutsche Einheit‹ noch mit dem Blasebalg bearbeitet. Das allgemeine geheime Wahlrecht! Es ist schrecklich! Wie kann das Zartum Rußland je mit einem solchen Staate Hand in Hand gehen!«
»Hm! Da er doch Österreich überwältigen wollte, warum lehnte er damals unsere Hilfe ab?«
»Das denke ich mir sehr einfach. Italia fara da se , Deutschland darf nur durch sich selbst geeinigt werden. Wir sind anrüchig bei seinen neuen Intimen, den Liberalen. Außerdem glaubte er, wir würden bei Niederwerfung Österreichs nicht gnädig sein, wie er selbst gewesen ist. Wie ich aus guter Quelle weiß, gegen den Willen des Königs. Das sind seltsame Absichten. Übrigens wird er vorgestellt haben, Preußen werde die Hauptlast des Kampfes gegen Frankreich zu tragen und die Süddeutschen gegen sich haben. Daß der nie für andere die Kastanien aus dem Feuer holt, ist leider sicher.«
»Mein Oheim hat auch seinen Willen«, meinte der Zar nachdenklich.
»Offenbar siegte bei ihm das nationale Ehrgefühl über jede dynastische Empfindlichkeit.«
Sehr richtig! Aber zu Ottos Leidwesen begann preußischer Partikularismus, früher dem großdeutschen Gefühl untergeordnet, im König die Oberhand zu gewinnen. Seine ideale und poetische Ader reagierte auf die ruhmvolle Geistes- und Charaktergröße des Volkes, seine Bewunderung für sein Preußen verminderte sein früher überwiegendes Deutschgefühl, er betrachtete fortan die Dinge weit mehr als früher unter reinpreußischem Sehwinkel.
Am 27. März mußte der Kanzler einen Ball geben, zu welchem der König erschien. Auch der Kronprinz in hellblauer Dragoneruniform mit gelbem Kragen trat sehr gesellig und vergnügt auf, Friedrich Karl im roten Attila etwas pompös und wichtig. Die Luxemburger Frage! Doch die beiden, die es am meisten anging, schienen wenig davon berührt. Der König zeichnete Benedetti durch längere Unterhaltung aus, bei der Luxemburg überhaupt nicht vorkam. »Ich bin sehr erfreut, bald nach Paris zu reisen, und bin entzückt von der Liebenswürdigkeit Ihres Souveräns, Seiner Majestät des Kaisers Napoleon. Seiner Einladung, in den Tuilerien selber abzusteigen, folge ich mit Dank und Vergnügen.« Der Ministerpräsident schien besonders gut aufgelegt, seinen Wirtspflichten lag er eifrig ob, als sei er ein jugendlicher Staatsstreber, der sich beliebt machen will. Doch der unermüdliche Benedetti lauerte ihm meuchlings auf und ergriff ihn plötzlich sozusagen beim Knopfloch, um eine politische Unterredung zu erpressen.
»Seine Majestät waren so überaus huldvoll und gnädig, daß ich daraus wohl günstige Auspizien erwarten darf.«
»Für die Weltausstellung in Paris? Alle Welt ist entzückt, es wird ein Sammeln aller hohen Souveräne um die erhabene Person des Kaisers der Franzosen sein.« Dies Ausweichen klang wie höflicher Hohn, doch Benedetti ließ nicht locker.
»Auch das. Doch mißverstehen Sie, Herr Ministerpräsident, meine Anspielung. Ich deute natürlich auf jene peinliche Differenz hin, die unser so fruchtbares und schönes Einvernehmen ein
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