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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wenig verdunkelt. Der König von Holland teilt uns die Antwort des Berliner Kabinetts auf seine freimütige Darlegung mit, und diese ist – Exzellenz verzeihen ein offenes Wort, da Sie selbst so sehr die Offenheit lieben – sie ist dunkel und zweideutig.«
    »Das finde ich nicht«, versetzte der Deutsche ruhig. »Von Freimut dürfte übrigens wohl kaum die Rede sein, nachdem uns bisher die ganze Transaktion verschwiegen wurde. Nur die Indiskretion im gesetzgebenden Körper setzte uns auf den Quivive.«
    Benedetti empfand den Rückstoß und lächelte um so liebenswürdiger, als er vor Wut kochte. »Mein Gott, am Ende sind Frankreich und Holland unabhängige Mächte, die miteinander verhandeln, ohne der Erlaubnis eines Dritten zu bedürfen.«
    »Aber ja! Wenn z. B. zwei sich darüber bereden, wie sie das Eigentum eines Dritten sich aneignen wollen, so nehmen sie sich zu dieser Tat keine Zaungäste, die zuschauen. Fragt sich nur, was der Dritte dazu sagt.« Otto strahlte von spaßiger Freundlichkeit.
    »Herr Minister! Doch ich vergesse nicht, daß ich Ihr Gast bin.«
    »Und ich nicht, daß ich Ihr Wirt bin. Glauben Sie, ich würde so derb reden, wenn ich nicht sehr bona fide wäre? Mir geht im Grunde Freundschaft mit Frankreich über alles. Würde der König Sie so herzlich anreden, wenn wir nicht wüßten, daß alles sich prächtig regeln wird? A bon entendu! Doch verzeihen Sie, lieber Herr Botschafter, meine Pflicht als Wirt – Sieht der Kronprinz nicht herrlich aus. Auf Wiedersehen nachher!« –

»Ich kann Eurer Majestät nur wiederholen, daß Losschlagen uns fünfzig gute Chancen gibt. In einem Jahre, wenn die Franzosen sich besser rüsten, haben wir die Hälfte davon verloren«, äußerte sich Moltke in einem berufenen Kronrate. »Sie vergessen, daß der Stein des Anstoßes für uns weggeräumt ist«, beschwichtigte Otto ruhig. »Das holländische Ministerium wies jetzt jede Ratifikation zurück und weder Lockung noch Zwang französischerseits ändert seinen festen Entschluß. Wo bleibt unser Kriegsgrund?«
    »Darauf kommt es ja gar nicht an.« Moltkes Lippe krümmte sich mit der ganzen Verachtung des Kriegskünstlers für äußerliche diplomatische Erwägungen. »Ihr Genie wird einen Kriegsgrund nolens volens schon schaffen.«
    Das war ungeschickt. König und Kronprinz runzelten die Stirn und standen sofort innerlich dagegen. Kein Outsider hat einen Begriff von dem unglaublichen, entschieden übertriebenen Verantwortlichkeitsgefühl und Gewissenszwang wirklicher Fürsten. Diese seltenen Menschen glauben für jedes Haar auf dem Kopfe ihrer Untertanen vor Gott haften zu müssen. Nur gekrönte Abenteurer sind über solche Schwächung der politischen Willenskraft erhaben, oft zu ihrem größten eigenen Schaden. Selbst Friedrich der Große, der sich über solche Fürstlichkeit wegsetzen durfte, hat, was wenig bekannt, viel zu lange gezögert, ehe er den unbedingt nötigen Präventivkrieg begann. Der Siebenjährige Krieg hätte eine andere Wendung genommen, wenn er ein Jahr früher losgebrochen wäre.
    Doch der »Rücksichtslose« näherte sich fürstlichem Verantwortlichkeitsinstinkt. Nur entsprach es bei ihm einer tieferen Klarheit und Weisheit. »Ich kann die Ansicht des Generals v. Moltke nicht teilen. Ein Militär sieht nur die militärischen Realitäten, die ich wahrlich nicht gering schätze. Allein, wahre Realpolitik sieht auch anderes, die Imponderabilien. Niemand wertet die im deutschen Volke schlummernde Unüberwindlichkeit höher als ich, vielleicht höher als irgendeiner der illustren Anwesenden. Doch ich glaube unsere deutsche Natur genau zu kennen. Diese Riesenkraft, auf die ich baue, wurzelt im Idealismus unserer hohen Rasse, der oft erstickt erscheint, oft zur eigenen Zersetzung dient, aber in großen Augenblicken unwiderstehlich hervorbricht. Napoleon I., den Herr v. Moltke wohl als Militär gelten lassen wird, berechnete im Kriege die moralische Kraft zur physischen wie 3:1. Irre ich nicht, huldigt Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich Karl der gleichen Meinung.« Der Prinz nickte ernst in seiner düsteren Art. »Nun wohl, ich habe nicht den Eindruck, als ob die ganze deutsche Nation sich für Luxemburg aufregte.«
    »Es hat jedoch den Anschein,« bemerkte der König, dem nichts entging und der in seiner vornehmen Ruhe unablässig aufpaßte.
    »Den Anschein, ja, und niemand freut sich mehr darüber als ich. Wir haben also endlich eine deutsche Nation. Aber es geht nicht tief genug. So

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