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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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lassen. Das wesentlichste sei ja erreicht, Frankreichs Heißhunger nicht befriedigt. So stachelte er mit der einen Hand die Erbitterung gegen den Einmischer, schwang mit der anderen die Friedenspalme und wedelte der französischen Rachsucht ins Gesicht.
    *
    Am 5. Juni langte er mit dem König und Moltke in Paris an, einige Tage später als der Zar und Gortschakow. »Louis will Rußland den Vortritt geben und es ohne unser Beisein für sich einnehmen«, legte er es aus. »Bei Gortschakow wird's ihm gelingen.« Aber nicht beim Zaren. Denn nach der großen Revue im Boulogner Holz zu Ehren der Souveräne, die selber eine Anziehungskraft der Weltausstellung sein sollten, fielen mehrere Schüsse auf den Selbstherrscher aller Reußen. Sie trafen ihn nicht, wohl aber seinen Herrscherstolz. Tapfer wie er war – er bewies es später in gräßlicher Todesstunde –, verkürzte er nicht mal sehr seinen Aufenthalt, doch Otto las auf dem Gesicht seines alten Gönners alle Zeichen unauslöschlicher Abneigung gegen diese Nation, die allen Polen eine Freistatt gewährte und sie als Märtyrer feierte.
    »Die Polizei scheint hier sehr schlecht organisiert«, redete er Otto vertraulich an. »Überhaupt spüre ich überall revolutionären Schwefel in der Pariser Luft. Natürlich kann die Regierung nichts dafür, doch sie dehnt eben das Asylrecht zu freigebig aus. Da fühlt man sich wahrlich wohler in Berlin.«
    »Sie geben, allergnädigster Herr, nur den Eindruck wieder, den ich immer hier gewann: sanktionierte Pöbelwirtschaft, schlechte Erziehung. Wenn ich neben Gortschakow reite, ruft ein gutgekleideter Plebs überall meinen Namen, nicht etwa als Begrüßung, nicht mal um mich auszupfeifen, sondern aus bloßer Neugier, als wäre ich ein am Zaume vorbeigeführtes Wundertier, das dressierte Kunststücke auf der Weltkirmes vollbringen soll. Der Fürst wird's Ihnen bestätigen.« Gortschakow nickte sauersüß. Ärgerte er sich doch genug, daß die angebeteten Pariser ihn nicht kannten und seine fast komische Erscheinung ins Nichts sank neben dem behelmten Kolossus!
    Dessen Stimmung verbesserte sich nicht wenig durch das Polenattentat. Er kannte den menschenfreundlichen, aber hochmütigen Alexander genug, um zu wissen, daß er nie verzeihen und vergessen werde, so höflich er den überströmenden Entschuldigungen des Empereurs begegnete. Anfangs ging der Behelmte mit ernstem grimmigem Gesicht unnahbar umher und verkehrte sehr zurückhaltend mit den zahlreichen Pariser Bekannten, die auf den heute Weltberühmten einstürmten. Dann aber ertrug er den Vertrieb großartig unähnlicher Bismarckbilder, einen Sou das Stück, das viele Anstarren und Ausfragen mit gutem Humor. Der Duc de Grammont erinnerte ihn an Karlsbad und belehrte ihn mit gewohnter Taktlosigkeit, daß man in Paris nicht mehr sage: Travailler pour le roi de Prusse, sondern travailler pour le maître de Monsieur de Bismarck .«
    »Wie witzig! Ich habe selten so gelacht«, versicherte Otto mit unerschütterlichem Ernst. »Da könnte ich Ihnen noch eine Reihe von Bonmots zum besten geben, die auf meine Kosten umlaufen. Sie werden in der Übersetzung leiden, doch will ich versuchen, den Sinn mundgerecht zu machen. Bei Beginn unserer inneren Wirren z. B. sagte man, die Rheinlande würden abfallen. ›Wo sollen sie denn hinfallen?‹ sagte ich.« Ein scharfer Blick unter den buschigen Brauen streifte die feinen welschen Gesichter des umstehenden Kreises. »Sie begreifen: in den Rhein würden sie sich doch nicht stürzen, das ist eine natürliche Schranke, also fielen sie sicher nie ab, sondern in unsere Arme zurück.« Die Franzosen verstanden sehr gut und verzogen die Miene. »Ein anderer Scherz. Eine Deputation von Hessen beschwerte sich neulich über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. ›Ja so, die Herrschaften meinten, umsonst preußisch zu werden?!‹ war meine Antwort. Preußisch werden ist nämlich solche Wohltat nach der früheren Misere, daß man etwas dafür zahlen muß«, erläuterte er wohlwollend. Die Franzosen lächelten. »Da fällt mir noch was ein. Bei einem Tafelgespräch sprach einer unserer großen Gelehrten,« er verbeugte sich verbindlich vor Thiers, der soeben herantrat und mit dem er schon mehrfach die alte Bekanntschaft erneuerte, »seine unfehlbare politische Doktrin aus. Jemand wollte widerlegen, doch ich mahnte ab: ›Nur noch zwei Minuten! Dann wird Herr Professor sich selbst glänzend widerlegen.‹ Weil nämlich allzu gelehrte Politiker

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