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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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patriotisch die Demagogen sich dort gebärden, wird man Bayern und Schwaben nicht beibringen, daß sie für die preußische Besetzung von Luxemburg Haut und Kragen opfern sollen. Selbst unsere Altpreußen werden natürlich wie Helden fechten, wenn ihr König ruft, doch von besonderer Ekstase für Luxemburg wird nichts zu merken sein. Das ist nur so ein theoretisches Strohfeuer der gebildeten Stände, das Volk würde seufzen: schon wieder ein Krieg! und die nämlichen, die heute in die Trompete blasen, würden später rügen, man habe den Krieg vermeiden sollen, wenn es schief geht.«
    »Aber es ginge nicht schief«, fiel Moltke ein. »Imponderabilien, ein Lieblingswort des Herrn Ministerpräsidenten, sind zweifellos nicht zu unter-, doch auch nicht zu überschätzen. Sie dürfen strategische Berechnungen nicht beeinflussen, denn der materielle Erfolg entscheidet alles. Laut Clausewitz ist der Krieg nur Fortsetzung der Politik. Graf Bismarck leugnet wohl nicht, daß Krieg gegen Frankreich im Rahmen seiner Politik liegt. Nun, Napoleon I. hat sich nie viel um Kriegsgründe und moralische Rechtfertigung gekümmert, wenn er große militärische Kombinationen verfolgte.«
    »Sehr wahr, nämlich in Spanien und bei seinem letzten Krieg, wo er kaput ging. Sein Zug nach Rußland wie nach Spanien war politisch begründet, militärisch scheinbar aussichtsreich, doch es war Kabinettspolitik, die gegen ihn überall den Nationalinstinkt entfesselte. Sonst aber blieb er ängstlich darauf bedacht, die öffentliche Meinung für sich einzunehmen. Die Geschichte wird schlecht gelesen, weil von den Historikern ›appretiert‹, um auch einen Lieblingsausdruck des Herrn Chef des Großen Generalstabes anzuwenden. Richtig gelesen wußte der große Eroberer es so einzurichten, daß er stets der Angegriffene und Überfallene schien. Dies gilt selbst für 1806, wo Preußen, nicht er, ein Ultimatum stellte. 1800, 1805, 1809 ist er von Österreich oder sogar einer Koalition tatsächlich mitten im Frieden attackiert worden. Von Moral wollen wir dabei nicht reden, wohl aber von der staatsmännischen Kunst, die immer den Gegner zwang, den Krieg zu erklären. Seine Kunst gibt noch heute der französischen Geschichtschreibung, meinen Bekannten Thiers an der Spitze, die Handhabe, seine Friedensliebe zu betonen.«
    Moltke schwieg. Seine hohe Bildung und sein hoher Verstand gaben Bismarck recht. Der König hörte aufmerksam zu. »Das ist mir neu, doch Sie werden das besser wissen. Wenn ich Sie richtig verstehe, wäre also die Luxemburger Frage kein Grund, um einen mörderischen Krieg heraufzubeschwören? Und teilen Sie Moltkes Ansicht, der Krieg mit Frankreich sei unvermeidlich?«
    »Keineswegs«, beeilte sich Otto biderb zu versichern, kleine Notlügen erhalten die Freundschaft. »Ehrlich gestanden haben wir formal kein Recht, auf der preußischen Besatzung zu bestehen. Es sei denn, daß Holland in unseren Bund eintritt, was es verweigert und wozu wir es nicht zwingen können, es sei denn wiederum durch Krieg. Ich möchte aber dem General v. Moltke, dessen superiorer Kenntnis der sonstigen Militärverhältnisse ich mich gern beuge, die Frage stellen, ob wir nicht später, selbst wenn Frankreich sich stärkt, gleichfalls stärker wären. Er sagt ›in einem Jahre‹, aber was sagt er von drei Jahren, wo das preußische Militärsystem in allen deutschen Staaten durchgeführt sein wird?«
    »Das gebe ich zu. Doch wer sagt, daß Frankreich nicht früher den Krieg erklärt?«
    »Dazu wird es keinen passenden Anlaß finden. Leben wir etwa allein in Europa? Das scheint mir stets der Rechenfehler der Militärpolitik. Greift man uns ungerecht an, bricht einen Krieg vom Zaune, muß Europa wenigstens anfangs den Mund halten. Schlagen wir uns jetzt für Luxemburg, einen formal fragwürdigen Streitpunkt, liegt der Fall anders. Und für die deutsche Nation selber brauchen wir etwas anderes, irgendeine flagrante Verletzung der deutschen Ehre. Dann, erst dann wird die Nation aufbrennen von den Alpen bis zum Belt, dann wird der Furor teutonicus die Welt in Staunen setzen. Schlägt sich der Deutsche begeistert, so erliegt der tapferste Feind. Frankreich ist weit stärker als das heutige Österreich. Ich fürchte, daß Herr v. Moltke auch hier die Imponderabilien unterschätzt. Die Franzosen haben auch die Furia Francese , gegen die wir besondere Kraftmittel brauchen.«
    »Hoffentlich erproben wir das nie,« begütigte der König hastig. »Aber wie denken Sie sich denn

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