Bismarck 02
machte Otto eine Drohvisite. »Ich bin beauftragt, Herr Minister, vertraulich mitzuteilen, daß mehr Noten von der Art, die wir sarkastisch nennen wollen, im französischen Publikum eine Kriegsstimmung erzeugen könnten, die unser Gouvernement kaum dämpfen dürfte.«
»Das wäre, mein General, eine uns unerträgliche Anmaßung dieses Publikums. Unsere häuslichen Angelegenheiten gehen niemanden draußen etwas an, und mir ist nicht bekannt, daß Europa sonst sich ähnliches erlaubt.«
»Europa sind wir«, warf sich der Franzose in die Brust.
»Dies Schlagwort las ich schon mal in Ihrer Presse. Ich zweifle, ob Europa sich davon geschmeichelt fühlt. Was wünschen Sie eigentlich?«
»Preußen übt einen Druck auf süddeutsche Mächte aus, die uns um Schutz anrufen.«
»Das deutsche Volk würde dies als Landesverrat betrachten. Meine Note vom 7. September überläßt es dem Ermessen unserer süddeutschen › Verbündeten ‹,« er betonte dies Wort, »in welchem Grade sie sich uns nähern wollen.«
»Baden soll gewaltsam in Ihren Bund gezogen werden.«
»Unsinn! Wir schöpfen nicht den Rahm ab, damit die sonstige süddeutsche Milch sauer werde. Wir sind die Hürde für die deutsche Herde, und wenn verirrte Schafe sich draußen herumtreiben, so mögen sie selbst den Weg finden.«
Fleury trat sofort den Rückzug an. »Ich danke Eurer Exzellenz für die beruhigende Versicherung, die ich unverzüglich nach Paris tragen werde, daß kein Attentat auf Badens Freiheit geplant wird. Meine Mission hatte also schönen Erfolg.« Aus Niederlagen Siege zu machen verstand die französische Rabulistik ja immer.
Das politisch so ereignisreiche Jahr ging ohne weiteren Zwischenfall zu Ende, im Frühjahre des neuen Jahres trat das Zollparlament zusammen. Dieser große historische Akt brachte aber noch nicht die erhofften Früchte. Die süddeutschen Abgeordneten setzten als Separatisten den Unionisten einen oft pöbelhaften Widerstand entgegen. »Kein Reiter kann immer galoppieren«, beruhigte Otto entrüstete Unionisten, doch er litt heimlich bitter unter einer Halsstarrigkeit, die mit »Zur Sache!« »Zur Ordnung« jede deutschnationale Gesinnung niederbrüllte, wenn man über bloße Zollfragen hinausging. Der Realpolitiker mußte es übers Herz bringen, selber die Unionisten an Nichtkompetenz des Zollparlamentes bezüglich rein politischer Fragen zu erinnern. »Sonst könnte dies die Lawine ins Rollen bringen, die so lange drohend am Berge hing.« Der Obstruktion versicherte er ironisch, man werde sie zu nationalen Segnungen nicht zwingen, die Norddeutschen seien gar nicht so »empressioniert«, reckte sich aber zugleich zu dem Donnerworte auf: »Ein Appel an die Furcht fand nie ein Echo in deutschen Herzen.« Aber zu Keudell und anderen Vertrauten verwies er auf diesen Beweis, wie sehr jede Überstürzung wie in der Luxemburger Frage verfrüht gewesen wäre. »Man muß manchmal den Kunktator spielen, nicht immer ist Vernichtungsstrategie am Platze, politische Ermattungstaktik hat auch ihr Gutes. Der Stein ist im Rollen, doch ihm einen Fußtritt zu geben, könnte die Beschleunigung zum Rollen in den Abgrund machen. Mit eigenem freien Willen müssen die Süddeutschen sich ins Vaterhaus zurückfinden, Zwang würde alles zerstören.«
»In Württemberg empfiehlt sich Barnbüler den Wählern als Schafzüchter, Kultusminister Golther als Inquisitor alldeutscher Tübinger Professoren,« warf Keudell ein. »Die deutsche Partei wird unterliegen und der abscheuliche Ultramontane Probst den Ton angeben.«
»Wenn der Wicht, wie ich ihn kenne, zu verstehen gibt, ein ungenannter Irgendjemand passe auf deutsche Zwietracht, so werde ich ihn niederdonnern.« –
Seine eigene Persönlichkeit wirkte indessen gewaltig auf alle süddeutschen Mitglieder, die sich von Voreingenommenheit freimachten. »Das ist ein ganz anderer als wir dachten«, bekannte ein tüchtiger Bayer Völk dem ins Zollparlament gewählten Ministerpräsidenten Fürst Chlodwig Hohenlohe. »Jede Zeit hat ihren Mann, und wir sahen jetzt alle, daß die zweite Hälfte des Jahrhunderts für Deutschland einen solchen Mann hat. Was immer einige Württemberger Kollegen einwenden, ich erblicke diesen Mann in Bismarck.« Hohenlohe, dessen Andenken jeder Deutsche ehren soll, ein sehr gebildeter Grandseigneur, nur mit liebenswürdiger Schwäche für das weibliche Geschlecht, doch fest und stark in echter Vaterlandsliebe, drückte ihm die Hand. Langsam verstummte die Opposition. Niemand
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